P., Thomas
Besuch vorbeizukommen. Aber er kam so gut wie nie vorbei, und wenn
doch, dann war er bis obenhin vollgekokst.
Ich versuchte, an den Wochenenden und teilweise auch unter
der Woche in Kneipen oder Diskotheken zu arbeiten. Irgendwoher musste das Geld
schließlich kommen. Aber statt Anerkennung oder Unterstützung erntete ich nur
blöde Kommentare. Man zerriss sich das Maul darüber, dass ich mich an den
Wochenenden herumtreiben würde. Dass ich mit diesen Jobs versuchte, für meine
Tochter und mich zu sorgen, zählte nicht.
Irgendwann lernte ich Tom kennen — und lieben. Aber unsere
Beziehung stand am Anfang unter keinem guten Stern. Er sollte sich die Freigabe
von dem Erzeuger meiner Tochter holen. Und das war ihm naturgemäß zuwider, was
ich sehr gut verstehen konnte. Und auch ich fühlte mich furchtbar gedemütigt.
Ich war entmündigt. Der Club wollte mir tatsächlich vorschreiben, mit wem ich
zusammen sein und wen ich lieben durfte. Dieser Club, der mich in all den
Jahren nie unterstützte.
Der Erzeuger, der nie ein Vater war, sollte für mein Glück
zuständig sein? Fehlte eigentlich nur noch das »Property of Hells Angels«-Tattoo,
das so viele Huren von Rot-Weiß trugen. Aber immerhin, mein Ex gab sein
Einverständnis, und alles schien doch noch gut zu werden.
Aber es gab ja noch den Bremer Sergeant at Arms, der
fortan versuchte, unsere Beziehung zu torpedieren. Als Tom überstürzt bei mir
einziehen musste, weil keiner seiner Brüder ihm helfen wollte, verlangte dieser
Sergeant von uns, dass wir erneut bei meinem Ex um Erlaubnis fragen mussten.
Hätte er Nein gesagt, wäre Tom vermutlich auf der Straße gelandet. Und keiner
seiner Brüder hatte etwas einzuwenden, als der Sergeant Tom vor versammelter
Mannschaft zu diesem Anruf aufforderte. Wir waren seit mehr als einem Jahr
zusammen und mussten erneut auf die Zustimmung meines Exfreundes hoffen, den
ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte und der nicht einmal seine eigene
Tochter kannte...
Kurze Zeit später verließ Tom die Hells Angels, und ein
weiteres Mal dachte ich, dass nun doch noch alles gut werden würde. Aber mit
dem Austritt fingen die Probleme erst richtig an. Uns wurde ein Sprechverbot
auferlegt, was uns von einem Moment auf den anderen zu Ausgestoßenen machte.
Meine sogenannten Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen, die ich zum Teil
schon seit Jahren kannte, ignorierten mich plötzlich.
Doch das war noch lange nicht alles. Die Hells Angels in
Bremen hatten auch dafür gesorgt, dass ich keine Jobs mehr bekam. Ich hatte ein
Kind zu ernähren — das Mädchen eines ihrer Brüder! Aber das zählte nicht.
Stattdessen wurden wir eingeschüchtert, bedroht und belästigt. Ein vernünftiges
Ende schien nun so gut wie ausgeschlossen.
Und so kam es dann, wie es wohl kommen musste. Nach Toms
Verhaftung standen meine Tochter und ich vor einer Entscheidung. Eigentlich war
es keine, denn für uns gab es von Anfang an nur eine Alternative: Meine Tochter
und ich liebten Tom, und wir hätten es niemals zugelassen, dass uns die Hells
Angels trennen würden. Sicher, es gab Momente im Leben, in denen man sich Vor-
Schriften machen musste. Aber nicht von würdelosen Männern
ohne Rückgrat, die es allein mit einem schmutzigen Patch aus der Gosse
geschafft haben.
Wenn ich es könnte, würde ich die ganze Sache gerne hinter
uns lassen. Aber das werden wir wohl nie können. Wir führen ein Leben in
ständiger Angst vor Entdeckung, und jeder unserer Tage ist davon geprägt, dass
unsere Tochter in Gefahr geraten könnte.
Und trotz allem führen wir ein glückliches Leben. Ich habe
ein wundervolles Kind, den Mann an meiner Seite, den ich liebe, und einen
herzensguten Vater für meine Tochter. Ja, ich habe viel verloren in meinem
Leben — am Ende aber mehr gewonnen. Ich war ein Teil der Hells Angels und habe
mich lange, viel zu lange von diesem Club blenden lassen. Und ich glaubte
tatsächlich auch, ich würde irgendwie dazugehören.
Ich hatte auch schöne Zeiten mit Rot-Weiß und verdammt
viel Spaß. Ich genoss den Respekt der Leute, die nicht dazugehörten und deshalb
auch glaubten, dass all die Legenden und Mythen um diesen Club herum
tatsächlich der Wahrheit entsprachen. Ich selbst habe lange, viel zu lange
gebraucht, um hinter die Fassade der Hells Angels zu schauen. Und wer diesen
Einblick einmal bekommen hatte, fühlte sich getäuscht, enttäuscht und war
zutiefst erschrocken. Alles, was hinter dieser schönen Fassade in Wahrheit zu
finden ist,
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