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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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einsteigen
konnte, wurden mir ohne jede Vorwarnung Handschellen angelegt. Auf meine
Einwände hin hieß es nur: »Wenn nicht, kannst du ja allein hinfahren.« Ich saß
also sechs Stunden gefesselt auf dem Rücksitz eines Autos, konnte mich kaum
bewegen, und auch eine Toilettenpause wurde mir auf dieser langen Fahrt nicht
gestattet. Ich bildete mir auf meinen neuen Titel »Kronzeuge« sicher nichts
ein, ganz im Gegenteil, aber warum behandelte man mich wie einen Haufen
Scheiße? War ich nicht derjenige, der diesen Prozess erst möglich gemacht
hatte? War ich es nicht, der für diese ganze Sache seinen Schädel hinhalten
musste? Ich hatte bestimmt keine Stretch-Limousine erwartet, die mich zum
Prozess chauffiert hätte, aber ein wenig mehr Würde und Anstand schon.
Stattdessen also wurde ich von ein paar Bullen mit Gesichtshauben wie ein Stück
Schlachtvieh in einem gepanzerten Mercedes der S-Klasse zum Showdown nach
Hannover gekarrt. Und heute, wenn ich darüber nachdenke, wird mir deutlicher
denn je zuvor: Ich war in jeder Hinsicht Schlachtvieh. Nicht mehr und nicht
weniger.
    Mein Anwalt zeigte die SEK-Männer damals wegen
Freiheitsberaubung an. Ein Anzeige gegen Unbekannt, denn die Spezialeinheit
handelt in der Regel anonym, Namen und Dienstgrade gab es keine. Ich war ein
»freier Mann« zu jener Zeit und hätte eigentlich nicht wie ein Häftling in
einem Gefangenentransport nach Hannover überstellt werden dürfen. Das
Verfahren wurde natürlich eingestellt. Die Beamten hätten wegen der
»Eigensicherung« so gehandelt. Klar, gefährlich, wie ich war, hätte ich die
Polizisten vermutlich sofort plattgemacht...
     
    2.
     
    Der Wagen hielt vor einem Seiteneingang. Überall standen
schwer bewaffnete Polizisten, und dann wurde ich auch schon auf dem schnellsten
Weg in einen streng abgeschirmten Büroraum geschoben. Da saß ich nun, trank
literweise Kaffee und versuchte mich zu beruhigen. Ich hatte Angst. Nicht vor
meinen Exbrüdern, sondern davor, dass ich vielleicht doch noch in den Knast
wandern müsste. Denn nach all dem, was ich bis dahin erlebt hatte, schwand von
Stunde zu Stunde mein Vertrauen in die Zusagen, die der Oberstaatsanwalt mir gemacht
hatte.
    Mein Misstrauen sollte auch begründet sein. Kurz vor
Prozessbeginn teilte mir mein Anwalt mit, dass es zu einer Unterredung zwischen
der Staatsanwaltschaft und den Strafverteidigern meiner »Brüder« gekommen war.
Mein Rechtsbeistand war bei dieser Besprechung natürlich auch geladen, und was
er da zu hören bekam, machte mir klar, dass ich mich eigentlich auf niemanden mehr
verlassen konnte.
    Der Ankläger, so berichtete mir mein Anwalt, sei wohl
gefragt worden, ob ich einen »Deal« gemacht hätte, um eine geringere Strafe zu
bekommen. Und die Antwort des Staatsanwaltes lautete: »Nein!«
     
    3.
     
    Nein! Kein Deal? Sollte ich also doch verarscht werden?
Hatte mein Gefühl mich nicht getäuscht? In Absprache mit meinem Verteidiger
fasste ich einen schnellen Entschluss: Wenn es also tatsächlich keinen Deal
gab, dann würde ich auch nicht vor Gericht aussagen, so viel stand für mich in
jener Lage sofort fest.
    Ich hielt aber dennoch mein Wort. Allerdings machte ich
vor Gericht klar, dass alles, was ich in meiner schriftlichen Aussage zu
Protokoll gegeben hatte, der Wahrheit entsprechen würde. Mehr nicht. Ich hatte
meinem Geständnis nichts mehr hinzuzufügen und schwieg in der Verhandlung
beharrlich. Eine mündliche Aussage machte ich nicht mehr.
    Als ich in dem Gerichtssaal saß und in die Gesichter
meiner »Brüder« auf der Anklagebank blickte, sah ich ausschließlich Wut und
Hass. Die Zuschauerreihen gefüllt mit Journalisten, Anglern und Huren - die meisten
81er waren schließlich mit Prostituierten liiert - und alle starrten sie mich
an. Eine merkwürdige und unangenehme Form der Popularität, aber ich hatte es
mir ja selbst so ausgesucht. Und nun musste ich da wohl auch durch.
    Gleichzeitig war es interessant zu sehen, wie vermeintlich
harte Männer, die im Zivilleben mit ihren schweren, bedeutungsschwangeren
Kutten zumeist Angst und Schrecken verbreiten konnten, von denen ich manche
allerdings nur als kleine Vollpfosten erleben durfte, nun ihren Killer- oder
Vergeltungsblick aufgelegt hatten. Nur um mir eines mitzuteilen: Du bist
erledigt!
    Am Abend wurde ich erneut mit Handschellen gefesselt sechs
Stunden heim zu meiner Familie gefahren, um am folgenden Morgen wieder dieselbe
Strecke zurück nach Hannover zu rasen. Gefesselt. Eine lächerliche

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