Pacific Paradise - Boone Daniels 2
hat keine Geschwister und keine echten Freunde. Boone fällt auf, dass sich keiner der Rockpile-Surfer und niemand von Team Domination hat blicken lassen.
Banzai ist da, fast schon, als wollte er die Verantwortung dafür übernehmen, dass aus der Mordanklage nichts wurde.
Auch viele Surfer sind gekommen, so viele wie auf der Galerie Plätze sind, und draußen vor dem Gerichtsgebäude stehen noch mehr, eine Gruppe von »Menschenrechtlern« hält Transparente mit der Aufschrift »Gerechtigkeit für Kelly«, »Schluss mit dem Hass« und dem diagonal durchgestrichenen Wort »Rassismus« hoch. Ihre Empörung über die milde Anklage ist deutlich spürbar und im Gerichtssaal merkt Boone, dass sich ihre Blicke in seine Schädeldecke bohren.
Auch die von Hang, Tide, Dave und Johnny.
Bleibt also nur die Verteidigung – Alan, Petra und Boone –, die für Corey da ist. Falls jemand von ihnen Dankbarkeit erwartet hätte, wäre er oder sie enttäuscht worden. Corey sieht sie nur mit seinem dämlichen »Ichbinwiedermaldavongekommen«-Lächeln an – »Mir kann keiner was.«
Alan hat das Gefühl, etwas sagen zu müssen. »Wahrscheinlich sind Sie in drei Jahren wieder draußen, vielleicht sogar schneller. Dann haben Sie ihr ganzes Leben vor sich.«
Mehr oder weniger, denkt Boone. Wahrscheinlich hat Corey noch nicht kapiert, dass das Vermögen seines Vaters zunächst gesperrt und dann für die Finanzierung der Prozesse draufgehen wird. Wenn Corey aus dem Loch kommt, wird er kein Zuhause, keinen Cent auf der Bank und ein schweres Gewaltverbrechen im Vorstrafenregister haben, in der ganzen Stadt verhasst sein und auf der ganzen Welt keinen einzigen Freund finden. Boone macht sich nicht die Mühe ihn darüber aufzuklären, ebenso wenig darüber, dass er ihm eine schwere Abreibung im Knast oder Schlimmeres erspart hat.
Corey sieht Alan an, dann Petra, dann Boone und nuschelt: »Ich habe nichts zu sagen.«
Ich auch nicht, denkt Boone.
Mir fällt nichts ein.
5.
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Auch nicht, als er das Gerichtsgebäude verlässt und sich einen Weg durch die protestierenden Surfer bahnt.
Einige rufen seinen Namen in Verbindung mit Begriffen wie »Verräter« und »Judas«.
Er legt nur schützend seinen Arm um Petra und hilft ihr, in den wartenden Wagen einzusteigen, der sie zurück in die Kanzlei bringt.
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Abends liegen sie bei ihm zu Hause im Bett.
Nach einer Weile fragt sie: »Alles klar?« »Ja.«
»Wirklich? Du wirkst so traurig.«
Er denkt darüber nach. »Ja, bin ich auch irgendwie.«
»Wegen deinen Freunden?«
»Das auch«, sagt er. »Aber nur zum Teil. Eher wegen der Sache insgesamt, weißt du? Dadurch wird alles in Frage gestellt … meine ganze Person. Ich habe das Hässliche erst gesehen, als es schon zu spät war und jemand wie Kelly sterben musste. Vielleicht habe ich es nicht gesehen, weil ich es nicht sehen wollte. Ich wollte immer nur … das Paradies sehen.«
»Du bist zu hart zu dir.«
»Nein, bin ich nicht«, sagt Boone. »Wenn man etwas nicht sieht, muss man auch nichts dagegen unternehmen. Und ich habe einen Scheiß dagegen unternommen.«
»Du bist nicht für die komplette Welt verantwortlich.«
»Nur für meinen Teil.«
Petra küsst ihn auf den Hals, dann auf die Schulter und auf die Brust und gleitet sanft an seinem Körper herunter, weil er angeschlagen, zerschrammt und wund ist, aber sie geht sehr liebevoll mit ihm um, bis er leise aufschreit. Viel später liegt sie mit dem Kopf an seiner Schulter und fragt ihn: »Hast du schon mal über Alans Angebot nachgedacht?«
Boone lächelt. »Hat er dir davon erzählt?«
»Ja.«
»Bevor oder nachdem er mit mir gesprochen hat?«
»Vorher«, sagt sie. »Spielt das eine Rolle?«
»Ja, tut es.«
»Ah, verstehe. Ich habe ihn nicht darum gebeten, Boone. Das war seine Idee.«
»Aber er hat dir vorher davon erzählt.«
»Bestimmt nur, weil er wissen wollte, ob mir die Vorstellung, dich täglich im Büro zu sehen, angenehm wäre«, sagt sie.
»Und ist sie das?«, fragt Boone. »Ist dir die Vorstellung ›angenehm‹?«
Sie rollt sich herum und legt ihren Kopf auf seine Brust. »Sehr, sehr viel mehr als nur angenehm. Ich wäre hocherfreut.«
Er hält sie fest. »Warum bleibst du nicht hier, bis du soweit bist, dass du wieder in deine Wohnung kannst.«
»Darf ich?«, fragt sie. »Ja, danke. Sehr gerne, aber das war keine Antwort auf die Frage.«
»Ja, Pete«, sagt er, »ich glaube, ich mache das mit dem Jurastudium.«
Sie lächelt und schmiegt sich noch
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