Geheime Depeschen #3
Berlin, Bundeskanzleramt, 15.12.2010
„Wir werden das aussitzen, so wie alles andere auch. Finden sie sich damit ab, dass Diplomaten alte Tratschweiber sind“ die Kanzlerin war mehr als aufgebracht. Nicht etwa wegen dem, was von den US-Botschaftern nach Amerika gekabelt wurde, insbesondere auch nicht wegen ihren persönlichen Einschätzungen, die sie zu ihrer Person und anderen Spitzenpolitikern abgebeben hatten. Vielmehr war sie sauer darüber, wie sich jetzt die Betroffenen hierzulande aufführten.
„ja, aber…“ versuchte der Außenminister einzuwenden
„Nichts aber! Wenn Amerika uns nicht mehr ernst nimmt, dann liegt es doch hauptsächlich an uns das zu ändern. Gerade Sie Herr Osthoff haben doch mit ihrem kindischen Getue heraufbeschworen, dass man mit außenpolitischen Fragen nicht zu ihnen sondern in unsere Staatskanzlei kommt, mal abgesehen davon, wie man sie sonst so einschätzt. Und der Herr Meeringer hat sich als Ministerpräsident von Bayern auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Ich meine, er muss sich doch nicht wundern, dass ihn die Amerikaner für einen Provinzpolitiker halten, wenn er noch nicht einmal weiß wieviele US-Soldaten in seinem eigenen Bundesland stationiert sind?“ Die Kanzlerin atmete tief ein, sie war noch nicht fertig, auch wenn Osthoff schon sichtbar der Kragen platzte.
„dennoch…“ sie machte eine kurze rhetorische Pause und schaute in die Runde. Sie hatte zu dieser Sitzung nur die wichtigsten Minister und Vertreter der Bundeswehr und des Bundesnachrichtendienstes geladen „dennoch können wir uns glücklich schätzen, dass es bei den bisher veröffentlichten Depeschen in Anführungszeichen nur um Peanuts geht. Gut, mal abgesehen von der Sache mit Khaled el Masri und dass unser lieber Herr Verteidigungsminister auch nicht sein Mundwerk halten konnte…“ ihre Augen durchbohrten ihn förmlich. „Wir sollten…“ wieder stockte sie „wir sollten uns viel eher um unseren status quo Sorgen machen. USA und China entdecken mittlerweile mehr Gemeinsamkeiten, als man mit uns haben könnte. Ich erinnere an den letzten Klimagipfel“
„Wenn ich dann auch mal…“ versuchte es Außenminister Osthoff erneut.
„Ich bin noch nicht fertig. Also unterbrechen sie mich nicht andauernd. Ab sofort bleiben unsere Internas in Deutschland. Sorgen sie dafür, dass sie ihre Ställe ausmisten, aber leise. Nicht wie bisher. Ich möchte nicht noch mehr von irgendwelchen Maulwurfsjagden in der Zeitung lesen. Kommen wir also zum nächsten Tagesordnungspunkt…“
„ich möchte…“ Osthoff versuchte einen dritten Anlauf.
„was sie möchten…“ fuhr sie ihm in die Parade „wir können gerne ihr Verhalten noch zwei Stunden weiter diskutieren oder wir wenden uns den wirklich wichtigen Themen zu. Ich habe nur noch zwei Stunden Zeit. Und von persönlichen Befindlichkeiten haben wir heute hier alle, glaube ich, genug“
Die Mehrheit der Anwesenden nickte. Osthoff war stinksauer. Er hatte seit seinem Amtsantritt keinen guten Stand gehabt und egal, was er auch sagte oder unternahm, es wurde nicht besser. Selbst aus den eigenen Reihen erhöhte sich seit Wochen der Druck auf ihn wegen schlechter Umfrageergebnisse. Angesichts dessen zog er vor, sich an anderer Stelle zu einer anderen Zeit zu rechtfertigen oder es ihr heim zu zahlen. Auch wenn er innerlich so kochte, dass er ihr am liebsten an die Gurgel gesprungen wäre, sie hatte ihn rhetorisch exakt in die Ecke gestellt, aus der man nicht heraus kam, jedes zusätzliche Wort seinerseits, ihm mehr geschadet als genutzt hätte.
„Betrachten sie es als einen Segen, dass wir nun wissen, wie Amerika über uns denkt und lassen sie es uns als Chance sehen, an unseren Beziehungen zu arbeiten. Womit wir beim eigentlichen Thema für heute wären. Herr Osthoff, welche Wogen gibt es dank Whistleblow international noch zu glätten?“ Die Kanzlerin lächelte süffisant, Osthoff dagegen fühlte sich belehrt, vorgeführt und bemuttert zugleich. Wie er sie in diesem Moment dafür hasste, doch er musste sein Gesicht wahren.
„ähm“ räusperte er sich „also, vorweg, ich habe ihnen alle relevanten Informationen in dem Dossier, das ihnen vorliegt, zusammengefasst. Am Brisantesten sind die Enthüllungen, um US-Amerikanische Pläne, die einen Krieg gegen China um Taiwan als Option beinhalten, das war zwar bereits 2006, sollte allerdings heute noch Wirkung haben, ebenso die Stationierung von mehr als einhunderttausend Soldaten in den baltischen
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