Pacific Paradise - Boone Daniels 2
nerviger als er –, hatte er kapiert, dass man, wenn man seinen dummen Mund hält, von diesen Kerlen noch was lernen kann und dass sich unter der ganzen beschissenen Großtuerei einiges von Interesse verbirgt.
Alles, was man glaubt, als Allererster erlebt zu haben, ist diesen Typen schon mal passiert. Bei der Gentlemen’s Hoursind immer noch welche von den ganz alten Jungs dabei, die den Sport erfunden haben und die einem erzählen können, wie’s war, an Breaks rauszupaddeln, deren Wellen vorher noch nie einer geritten hat, und einen am Zauber der guten alten Zeit teilhaben lassen.
Einige von den Jungs bei der Gentlemen’s Hour sind allerdings gar nicht so alt, dafür aber erfolgreich. Sie sind berufstätig oder selbstständig und ihre Geschäfte laufen so gut, dass sie sich nirgendwo mehr blicken lassen müssen, außer am Strand.
Einer dieser Glücklichen ist Dan Nichols.
Würde man einen vierundvierzigjährigen kalifornischen Surfer für eine Fernsehwerbung suchen, würde man Dan nehmen. Gut aussehend, stark und robust, zurückgekämmte blonde Haare, braun gebrannt, ein strahlend weißes Lächeln und grüne Augen – Dan ist die männliche Verkörperung des kalifornischen Traums. Alles zusammengenommen sollte man meinen, man müsste den Kerl hassen, tut man aber nicht.
Dan ist cool.
In Armut aufgewachsen ist er nicht gerade – schon sein Großvater war im Immobiliengeschäft und hat ihm einen amtlichen Treuhandfonds vermacht – aber Dan hat sich nicht bloß ins gemachte Nest gesetzt, sondern selbst auch noch ordentlich was ausgebrütet. Er verband Beruf und Hobby und entwarf Surferklamotten, die abgingen wie nichts Gutes. Mit einem kleinen Warenlager in PB fing er an und hat jetzt ein eigenes prächtiges Riesenhaus in La Jolla. Man muss sich aber nicht unbedingt in San Diego aufhalten, damit einem Nichols ›N‹-Logo über den Weg läuft, die Kids tragen Dans Zeug in Paris, London und wahrscheinlich auch in Ouagadougou.
Dan Nichols hat also ein paar Taler auf der hohen Kante.
Und er kann surfen, was ihn zu einem angesehenenTeilnehmer der Gentlemen’s Hour von Pacific Beach macht. Jetzt paddelt er an den kaum erkennbaren Break und trifft dort Boone, der sich auf seinem Longboard sonnt.
»Boone, was geht?«
»Brandung jedenfalls keine«, sagt Boone. »Hey, Dan.«
»Selber hey. Was hält dich nach der Dawn Patrol noch hier?«
»Faulheit«, gesteht Boone. »Faulheit und Arbeitsmangel.«
Wäre Boone nicht selbständig, wäre er arbeitslos, was meistens sowieso oft auf dasselbe hinausläuft.
»Genau darüber wollte ich mit dir reden«, sagt Dan.
Boone schlägt die Augen auf. Dan wirkt sehr ernst, was ungewöhnlich ist. Normalerweise ist er gut gelaunt und extrem gelassen und warum auch nicht? Das wären Sie auch, wenn Sie Millionen im zweistelligen Bereich auf der Bank liegen hätten.
»Was ist los, Dan?«
»Können wir ein bisschen weiter rauspaddeln?«, fragt Dan. »Ist irgendwie persönlich.«
»Ja, klar.«
Er überlässt Dan die Führung und paddelt hinter ihm weitere fünfzig Meter aufs Meer hinaus, wo sie höchstens von ein paar vorbeifliegenden braunen Pelikanen belauscht werden. Braune Pelikane sind so eine Art Vogelmaskottchen von Pacific Beach. Am neuen Rettungsturm, auf dem Dave gerade Stellung bezieht, um Touristinnen zu beäugen, steht sogar eine Pelikanstatue.
Dan lächelt betreten: »Das fällt mir echt schwer …«
»Lass dir Zeit«, sagt Boone.
Wahrscheinlich verdächtigt Dan einen seiner Mitarbeiter, dass er Gelder veruntreut oder Geheimnisse an die Konkurrenz verscherbelt, was Dan tierisch an die Nieren gehen würde, wenn’s so wäre, weil er sehr stolz darauf ist, Kapitänauf einem glücklichen loyalen Schiff zu sein. Wer für Nichols arbeitet, bleibt in der Regel und möchte sein gesamtes Arbeitsleben dort verbringen. Dan hat Boone bereits mehrfach einen Job angeboten, jederzeit, wann immer er will, und oft war Boone in Versuchung geraten. Wenn schon Vierzigstundenwoche (schauder), dann wäre Nichols ein cooler Arbeitsplatz.
»Ich glaube, Donna betrügt mich«, sagt Dan.
»Mach keinen Scheiß.«
Dan zuckt mit den Schultern: »Ich weiß nicht, Boone.«
Er beschreibt das übliche Szenario: Sie geht zu ungewöhnlichen Zeiten aus, kommt mit undurchsichtigen Erklärungen wieder und verbringt sehr viel Zeit mit ihren Freundinnen, die aber anschließend gar nichts davon wissen; sie ist distanziert, zerstreut, nicht mehr so liebevoll wie früher.
Donna Nichols sieht toll
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