Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
sackt sie unter ihr ursprüngliches Niveau, was man als »negative Verdrängung« bezeichnet, und das ist das »Wellental«. Mit anderen Worten, die Welle hat Höhen, Tiefen und Mitten, genau wie das gute alte Leben selbst.
Na ja, ein bisschen komplizierter ist es schon, besonders, wenn man von der Sorte Welle spricht, die sich reiten lässt, und ganz besonders von der Art Riesenwelle, wie sie jetzt gerade mit den allerübelsten Absichten auf Pacific Beach zuwalzt.
Im Prinzip gibt es zwei verschiedene Arten von Wellen.
Die meisten Wellen sind »Oberflächenwellen«. Sie entstehen durch Wind und die Anziehungskraft des Mondes. Dies ist die gewöhnliche Feld-Wald-und-Wiesenwelle, die Alltags- oder auch Lieschen-Müller-Welle. Diese Sorte taucht zur rechten Zeit auf und macht ihren Job. Es gibt sie in verschiedenen Größen von klein und mittel bis gelegentlich auch groß.
Oberflächenwellen sind die Wellen, denen das Surfen seinen Namen verdankt, denn dem unkundigen Auge scheint es, als würde der Surfer auf der Wasseroberfläche reiten. Surfer gleiten, wenn man so will, über die Oberfläche – auf Englisch surface .
Oberflächenwellen sind so etwas wie die Maulesel der Surfer. Lasttiere, die allerdings durchaus über die Stränge schlagen können, wenn der Wind sie ordentlich aufpeitscht.
Viele denken, für die großen Wellen sei starker Wind verantwortlich, aber das ist so nicht richtig. Wind kann eine starke Brandung verursachen oder eine ansonsten durchschnittliche Welle hoch auftürmen, aber die Energie selbst – die Störung – entsteht an der Oberfläche. Diese Wellen besitzen eine gewisse Höhe, doch es fehlt ihnen an Tiefe. Alles,was passiert, passiert oben – fast, als wäre es bloß Show. Solche Wellen sind im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlich.
Wind kann die Brandung auch ruinieren, was häufig der Fall ist. Weht der Wind schräg über die Welle, kann er ihr die Form versauen oder die Brandung zerhacken, oder – wenn die Welle direkt vom Ozean hereinkommt – ihren Kamm niederdrücken, sie platt walzen und unreitbar machen.
Wünschenswert ist ein sanfter, steter, der Küste vorgelagerter Wind, der die Welle frontal anweht und auf diese Weise aufrechterhält.
Die andere Art von Welle ist eine Welle unter der Oberfläche , die, äh – unter Wasser beginnt. Wenn Oberflächenwellen tänzelnde Mittelgewichtsboxer sind, die sich mit kurzen Geraden zur Wehr setzen, dann ist diese Welle das Schwergewicht, das auf Plattfüßen in den Ring watschelt und seinen Gegner k.o. schlägt. Diese Welle ist der Superstar, der ultimative Bösewicht, der Arsch, der dir das Geld für den Schulbus abnimmt, die Freundin ausspannt und deine neuen Turnschuhe klaut.
Wenn es Oberflächenwellen an Tiefe mangelt, dann hat die Strömungswelle mehr Eier in der Hose als ein Riff von Sly and the Family Stone. Sie ist tiefgründiger als Kierkegaard und Wittgenstein zusammen. Sie ist echt heavy , mein Freund; sie ist nicht dein Bruder. Sie ist der verhasste Bastard, der in einem brutalen Liebesakt auf dem Meeresgrund gezeugt wurde.
Da unten gibt es eine ganze Welt. Genau genommen befindet sich der Großteil der Welt da unten. Es gibt unglaubliche Bergketten, riesige Ebenen, Gräben und Canyons. Dort gibt es tektonische Platten, und wenn diese sich verschieben und aneinanderschaben, kommt es zu Erdbeben, gigantischen Unterwasserbeben, so gewalttätig wie Mike Tyson, wenn er seine Medikamente nicht genommen hat, und diese Beben lösen brutalste Störungen aus.
Zeigt sich die Welle von ihrer besten Seite, entsteht eine wunderschöne große Wellenfront, auf der es sich reiten lässt; im schlimmsten Fall kommt es zu einem Tsunami, dem unzählige Menschen zum Opfer fallen.
Genau das ist die Störung, ein Phänomen der massenhaften Energieübertragung, das sich über Tausende Kilometer fortsetzt, so dass du entweder zum Ritt deines Lebens kommst oder selbiges komplett an den Arsch geht. Dabei ist der Welle scheißegal, was passiert.
Als die Dawn Patrol an diesem Vormittag aus dem Wasser steigt, walzt so etwas auf Pacific Beach zu. Ein Unterwasserbeben in der Nähe der Aleuten rollt buchstäblich Tausende Kilometer auf Pacific Beach zu und dann …
Kawumm.
06
Kawumm ist gut.
Kawumm ist sehr, sehr gut, wenn man wie Boone Daniels Wellen, die viel Krach machen, über alles liebt.
So war er schon immer gewesen. Seit seiner Geburt und noch länger, wenn man den ganzen Kram über pränatale Geräuscheinflüsse glauben
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