0792 - Gruß aus der Gruft
Es ließ nur den Schluss zu, dass sie mich umbringen wollte und ich inzwischen darüber Bescheid wusste. Ich wollte sie aufhalten und bei ihr nachfragen, was sie damit gemeint hatte, aber mir war plötzlich, als hätte sich zwischen ihr und mir eine Wand aus Eis aufgebaut, die mich davon abhielt, auch nur einen Schritt auf die Frau zuzugehen. Deshalb schaute ich auf ihren Rücken und lauschte den Schritten, die beinahe verstummten, als sie den Rasen erreicht hatte.
Diondra war eine schmale Person, der niemand ansah, was in ihr steckte. Man konnte sie als Genie bezeichnen, und dies stammte nicht von mir, anerkannte Wissenschaftler hatten sich darüber Gedanken gemacht. Ein mathematisches Novum, das mit den Computern Katz und Maus spielte, zugleich ein Genie, das sich fürchtete, deshalb war ich Diondra Mayne als Leibwächter zugeteilt worden.
Ich wusste noch nicht, vor wem oder wovor sie Angst hatte, aber ihre Reaktionen überraschten mich doch immer wieder. Wie dieser eine Satz eben, zudem hatte sie einige Zeit zuvor die Bedrohung zum ersten Mal konkretisiert und von den düsteren Schatten der Vergangenheit gesprochen, die zu ihr hochstiegen.
Welche Vergangenheit sie damit gemeint hatte, das wusste ich leider nicht.
Es war mittlerweile fast dunkel geworden, und vor der düsteren Kulisse des Hauses wirkte die Gestalt der Frau noch schmaler und verlorener. Sie ging mit sehr steifen Bewegungen und erinnerte mich dabei an eine Puppe.
Dass sie sich in dieser Einsamkeit versteckt hielt, gefiel mir auch nicht so recht. Diondra arbeitete als Top-Beraterin für einen mächtigen Konzern und sollte für die Zukunft Perspektiven aufzeigen.
Keine wusste, woher Diondra kam und weshalb sie bedroht wurde. Die rätselhaften Stimmen hatte ich vernommen, ohne die jeweiligen Sprecher zu sehen.
Das düstere Haus, mehr eine gewaltige. Gruft, malte sich als mächtiger Schatten im Hintergrund ab. Für mich versinnbildlichte sich die Bedrohung, ich sah das Haus als eine solche an und konnte mir vorstellen, dass es jeden Augenblick zusammenbrach, um uns Menschen zu begraben. Es gehörte dem Konzern. Ebenso wie das gesamte Gelände, ein riesiger, verwilderter Park, in dem Haus seinen Platz gefunden hatte und so etwas wie eine Burg der Zuflucht geworden war.
Nicht nur ich beschützte sie. Es waren noch vier Leibwächter angeheuert worden. Zwei von ihnen hatte ich kennen gelernt, Cusor, den Chef, und Zingara, einen Indianer. Die beiden anderen Männer hockten im Keller und starrten auf vier Monitore.
Ich kam mit dieser Person nicht zurecht. Sie war mir einfach zu rätselhaft. In meinen Jahren hatte ich schon viele Frauen kennen gelernt, sehr unterschiedliche auch. Bei den meisten hatte ich gewusst, woran ich war.
Bei Diondra Mayne wusste ich es nicht. Sie war für mich ein Rätsel, und wahrscheinlich würde sie es auch bleiben. Ich wusste auch nicht, wie sie zu mir stand, sie nahm mich einfach hin, nur glaubte ich nicht, dass sie mich auch akzeptierte.
Nur konnte ich sie nicht laufen lassen, ich musste bei ihr bleiben, denn die Bedrohung war vorhanden.
Während ich ihr nachschaute, erinnerte ich mich an die Stimmen, die ich in dem kleinen Pavillon gehört hatte. Diondra hatte dort auf einem Holzklotz gesessen und nichts gesagt. Kein Wort! Dennoch war der innere Teil des Pavillons von wispernden und flüsternden Stimmen erfüllt gewesen, und dies eben war das große Problem. Sie hätte mir sicherlich sagen können, woher die Stimmen kamen, doch es war fraglich, ob sie es auch tat. Sie hielt mich an der langen Leine, und ich konnte noch nichts tun, weil ich einfach zu wenig wusste.
Wie auch jetzt.
Sie war einfach gegangen, aber sie schaute sich plötzlich um, weil sie sehen wollte, wie ich reagierte. Ich überlegte, ob ich ihr folgen sollte oder mich weiterhin hier draußen umsah. Zudem war die Zeit um, die Suko und ich uns gesetzt hatten. Ich hätte eigentlich mit ihm Kontakt aufnehmen müssen, das aber wäre aufgefallen, denn niemand sollte wissen, dass ich noch einen weiteren Trumpf im Ärmel hielt, auch Diondra nicht.
Also ließ ich es bleiben und tat ihr den Gefallen. Ich ging ihr nach.
Sie stoppte dann und wartete auf mich. Dabei schaute sie auf die Frontseite des Hauses. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
»Was halten Sie von dem Haus?«, fragte sie mich.
»Ist es ein Grab?« Ich nahm dabei bewusst Bezug auf ihre letzte Bemerkung und hörte sie leise lachen.
»Es kann eines werden.«
»Für uns?«
Sie hob die
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