Palast der Stuerme
„Und meines Vaters Liebling. Ich war zu widerspenstig, hatte ein Faible für Macht und Reichtum. Genau wie Hasim … Raoul hat Ihnen nichts von meinem Bruder erzählt? Es war Hasim, der meinem Vater die Heirat zwischen mir und Raoul ausgeredet hat. Wie der Scheich ist auch Raoul ein viel zu großer Menschenfreund. Wenn es den beiden überlassen bleibt, dann wird der Reichtum unseres Landes für unnütze Projekte verschwendet, wie zum Beispiel Wüstenlandstriche fruchtbar zu machen oder Stammeskindern eine Schulbildung zu garantieren. Aber jetzt wird das alles aufhören. Jetzt, da wir Saud haben, werden wir den Scheich zwingen, zugunsten Hasims abzudanken, und dann wird alles anders.“
Nadias Bruder war der Kopf der Umstürzler? Wusste Raoul davon?
„Raoul hat natürlich von all dem keine Ahnung. Niemand weiß es“, fuhr Nadia fort, als hätte sie Claires Gedanken erraten. „Hasim hat sich immer im Hintergrund gehalten. Doch der Tag kommt bald, da er an die Öffentlichkeit tritt und seinen rechtmäßigen Platz als Herrscher unseres Landes einnimmt. Und Sie haben uns dabei geholfen, Claire. Mit Saud in unserer Hand wird der Scheich auf alle unsere Forderungen eingehen, und für Sie wird Raoul sicherlich ein nettes Sümmchen Lösegeld zahlen, vor allem jetzt, da Sie sein Kind in sich tragen.“
„Ich dachte, Sie lieben ihn.“
„Ihn lieben? Einen Mann, dessen Stolz ihm wichtiger ist als ich? Er hätte konvertieren können, als mein Vater es verlangte, aber er weigerte sich. Und hat mich damit erniedrigt. Damals schwor ich, Rache zu nehmen. Er weiß natürlich nicht, wie ich fühle. Es ist leicht für eine Frau, ihre wahren Gefühle vor einem Mann zu verbergen, nicht wahr, Claire? Denn Sie lieben ihn wirklich, oder?“
Claire wandte das Gesicht ab und sah zum Fenster hinaus. Am Horizont konnte sie eine Palmenreihe erkennen und erinnerte sich an die Oase, die sie mit Prinzessin Faika besucht hatte. Tatsächlich hielten sie auf die Oase zu, aber Claire konnte nicht sagen, ob es dieselbe war. Ein halbes Dutzend schwarzer Zelte schien leer dazustehen, als der Wagen in einer großen Staubwolke an ihnen vorbeifuhr.
Nadia lachte hämisch, als sie Claire ansah. „Oh nein, ich fürchte, die Möglichkeiten für eine Flucht oder gar eine Rettung sind gleich null.“
„Aber Raoul wird es herausfinden, er wird erfahren, dass Sie es waren, die mich abgeholt hat.“
„Bis dahin macht es keinen Unterschied mehr. Sobald dem Scheich mitgeteilt wird, dass wir Saud in unserer Hand haben, besteht kein Grund mehr für Geheimhaltung.“
Auch wenn Nadia von Lösegeld gesprochen hatte … Claire hatte das ungute Gefühl, dass man weder sie noch Saud am Leben lassen wollte. Sie sah auf den schlafenden Jungen neben sich, und schreckliche Mutlosigkeit überkam sie. Sie hatte ihn im Stich gelassen, nicht nur ihn, sondern auch Raoul. Automatisch legte sie die Hand auf ihren Bauch, eine Geste, die Nadia nicht entging.
„Der arme Raoul, er wird vor Sorge halb verrückt werden. Nicht Ihretwegen, sondern wegen seines ungeborenen Kindes. Sie können erst am Anfang der Schwangerschaft stehen, nicht wahr? Ein Stadium, das hohe Risiken birgt …“
Nadia gab nichts von sich, woran Claire nicht schon selbst gedacht hatte. Tränen brannten in ihren Augen, sie wandte das Gesicht ab und sah durch die getönten Scheiben hinaus. Eine Staubwolke erregte ihre Aufmerksamkeit, und Nadia verzog das Gesicht, als der Wagen an einer Gruppe Reiter vorbeiraste.
„Badu. Der Scheich und Raoul wollen sie aufklären und ihre Kinder ausbilden. Sobald Hasim an der Macht ist, wird kein Geld mehr für solche Narreteien verschwendet.“
„Ist Ihr Bruder wirklich überzeugt, dass er das Land unter seiner alleinigen Führung halten kann, ohne Einfluss von außen?“
„Hasim ist ein kluger Mann. Er hat sich die Unterstützung einer religiösen Fraktion gesichert, die gegen die Öffnung zum Westen ist. Und Omarah ist reich genug, um sich gegen andere zu schützen.“
Es dämmerte schon, als der Wagen bei einer kleinen Oase anhielt. Mehrere Zelte waren am Wasserrand aufgestellt.
„Aussteigen“, befahl Nadia, stieß ihre Tür auf und rümpfte die Nase, als eine Staubwolke sie einhüllte. Ein kleiner korpulenter Mann in einem langen Umhang kam auf den Wagen zu.
„Mein Bruder, ich habe sie mitgebracht, wie versprochen“, grüßte Nadia, zufrieden mit sich. „Und es ist noch besser, als wir ahnen konnten. Sie trägt Raouls Kind in sich.“ Sie warf einen
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