Palast der Stuerme
Mutter lediglich des Geldes wegen. Sobald sie verheiratet waren und meine Mutter schwanger mit mir war, widmete mein Vater seine ganze Aufmerksamkeit anderen Frauen und dem Glücksspiel. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt, sie ertrug die Schande nicht. Als mein Vater dann herausfand, dass er keineswegs von dieser Heirat profitieren würde, stellte er meinen Onkel vor die Wahl, mich entweder selbst großzuziehen oder zuzusehen, wie ich in einem Heim aufwachsen würde.“
Warum erzählte er ihr das? Vor Kurzem noch hatte er sie seine Verachtung spüren lassen, und jetzt gab er intime Details aus seinem Leben preis, noch dazu mit solcher Bitterkeit. Wahrscheinlich saß ihm dieses Schicksal wie ein Dorn in der nie heilenden Wunde.
Inzwischen waren sie bei der Suite des Scheichs angekommen, und wie zuvor empfing Scheich Ahmed sie auch dieses Mal allein. Sein Lächeln war herzlich und warm, als er Claire einlud, Platz zu nehmen.
„Bitte, setzen Sie sich doch, Miss Miles.“ Er sah zu seinem Neffen, während Claire sich auf dem Sessel niederließ. „Hat Raoul Ihnen den Grund für meine Bitte um dieses Gespräch genannt?“
„Ich habe ihr nichts gesagt. Du kennst meine Ansichten.“
„Aber wenn sie zustimmt …“
„Werde ich alles tun, was nötig ist, um das Kind zu schützen.“
Alarmiert durch die fast greifbare unterschwellige Anspannung zwischen den beiden Männern, ließ Claire den Blick von einem zum anderen wandern. Raouls Miene war hart und verschlossen, das Gesicht des Scheichs milder, aber nicht weniger entschieden.
„Du beunruhigst unseren Gast, Raoul“, rügte der Scheich leise. „Es besteht kein Grund, Angst zu haben, meine Liebe“, wandte er sich an Claire. „Dieses Gefühl bleibt leider uns vorbehalten …“
Er brach ab, und Claire sah ihn verständnislos an. Beide schienen ihr eher der Typ Mann zu sein, die vor nichts Angst hatten, vor allem Raoul. Wenn sie an heute Morgen zurückdachte, wie er angesichts der Gefahr reagiert hatte … Die Erinnerung an die schreckliche Schießerei jagte ihr jetzt im Nachhinein das Adrenalin durch die Adern, Übelkeit wollte erneut aufsteigen. Nur Raouls Anwesenheit hinderte sie daran, diesem Gefühl nachzugeben. Vor ihm wollte sie nicht die geringste Schwäche zeigen. Schweigend wartete sie darauf, dass der Scheich fortfuhr.
„Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, Miss Miles.“ Unter der ruhigen Würde, mit der der Scheich jetzt sprach, spürte Claire seine innere Unruhe. „Und das kann ich überhaupt nur, weil ich in Ihnen einen warmherzigen und mitfühlenden Menschen erkannt habe.“ Er lächelte gewinnend. „Sie mögen jetzt anführen, dass ich Ihr hilfsbereites Wesen ausnutze, und ich fürchte, damit haben Sie durchaus recht. Heute Morgen haben Sie Ihr Leben riskiert, um das meines Großneffen zu retten …“
„Das war eine reine Reflexreaktion.“ Ein Hauch Röte zog auf ihre Wangen. Sollte der Scheich ihr wieder eine Belohnung anbieten, würde sie erneut ablehnen. Aber machte eine Belohnung Raouls Anwesenheit nötig? Und wieso war der ältere Mann dann so unsicher und nervös?
„Nichtsdestotrotz haben Sie Saud instinktiv beschützt. Ich selbst konnte beobachten, dass bereits ein Band zwischen dem Jungen und Ihnen besteht. Mögen Sie Kinder, Miss Miles?“
„Ja, natürlich. Aber …“ Ihre Stimme erstarb, als sie ahnte, worauf der Scheich hinauswollte. Sollte sie etwa Sauds Nanny werden? „Ich kann mich nicht den ganzen Tag um ihn kümmern, falls es das ist, was Sie vorschlagen wollen. Ich arbeite ganztags, und dann …“ Dann ist da noch Teddy, wollte sie sagen, doch eine innere Stimme hielt sie warnend zurück. „Und ich habe andere Verpflichtungen“, beendete sie also ihren Satz.
„Ihrem Freund gegenüber?“, warf Raoul abfällig ein. „Er sollte sich Ihnen verpflichtet fühlen, Miss Miles.“
„Es gibt bereits einen Mann in Ihrem Leben?“ Der Scheich sah nicht glücklich aus.
„Ja.“
„Aber Sie sind weder verlobt noch verheiratet? Es ist also keine feste Beziehung?“
Claires Mund wurde trocken. Warum hatte sie nicht von Anfang an gesagt, dass Teddy ihr Bruder war? Wie sollte sie sich jetzt aus diesen Halbwahrheiten herausreden? Doch dann wallte Ärger in ihr auf. Was ging es diese Männer an, wie ihre Beziehung zu Teddy aussah?!
„Miss Miles und ihr Freund führen anscheinend eine Fernbeziehung. Als ich sie in ihrem Zimmer abholte, schrieb sie ihm gerade“, mischte Raoul sich ein.
„Aha …
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