Palast der Stuerme
Miles scheint der Ansicht zu sein, es wäre wohl angenehmer, wenn ich dich hätte überreden müssen, sie heiraten zu dürfen, Onkel“, hob Raoul spöttisch an und wandte sich an Claire. „Doch niemand, der mich kennt, würde glauben, dass ich aus freiem Willen eine europäische Frau heirate, Miss Miles.“
„Aber die gleichen Menschen werden glauben, dass eine europäische Frau Ihr Kind gebiert?“ Claire hatte sich immer für ruhig und ausgeglichen gehalten, war sogar überzeugt gewesen, dass kein Mann sie provozieren könnte. Und doch … ein Blick, ein Wort von diesem Mann brachten sie derart auf, dass sie kurz davorstand, die Beherrschung zu verlieren.
„Ich verbringe sehr viel Zeit außerhalb meines Landes“, tat Raoul ihren Einwand mit einem Schulterzucken ab. „Da wird niemand von mir erwarten, dass ich wie ein Mönch lebe. Es ist allgemein bekannt, dass europäische Frauen sehr freizügig sind.“
„Ich kann das nicht tun“, entschied sie. „Tut mir leid, aber es geht nicht. Ich …“ Sie brach ab, als die Tür geöffnet wurde und eine junge Frau hereinkam. Sie trug die Hoteluniform und hielt Saud auf dem Arm. Der Kleine war unruhig und strampelte, doch als er Claire erblickte, streckte er sofort die Ärmchen nach ihr aus.
Die junge Frau sagte etwas in Arabisch und kam auf Claire zu, um ihr den Jungen zu reichen, dann verließ sie das Zimmer wieder.
„Sie glaubt, Sie seien seine Mutter“, übersetzte der Scheich leise. „Ich weiß, wie viel ich von Ihnen verlange, dennoch bitte ich Sie, es noch einmal zu überdenken. In einem Jahr ist die Gefahr für sein Leben ausgeräumt, dann sind Sie frei, um zu gehen. Ein Jahr, das ist alles, worum ich Sie bitte.“
„Und natürlich werden Sie für die Zeit entschädigt“, fügte Raoul sarkastisch hinzu. Er nannte eine Summe, bei der Claire nach Luft schnappte. Das war ein Vermögen! Es würde reichen, um Teddy durch die Schule und das Studium zu bringen, und es würde noch genug übrig bleiben, um ein kleines Haus zu kaufen.
„Aber eine Ehe …?“
„Diese Ehe wird nichts als ein Gerücht bleiben“, versicherte Raoul verächtlich. „Wieso, glauben Sie, wird mein Onkel jedem sagen, dass er mich zu dieser Ehe gezwungen hat? So brauchen wir keine Rolle zu spielen und können unserer eigenen Wege gehen. Ich sagte doch, du hättest zuerst die Summe nennen sollen“, sagte er über ihren Kopf hinweg zu seinem Onkel.
Die verächtliche Unterstellung raubte Claire den Atem. Zu gern hätte sie ihm seine Worte ins Gesicht zurückgeschleudert, doch genau in diesem Moment begann Saud zu weinen. Und während sie den Kleinen beruhigte, hatte sie Zeit zum Nachdenken. Zeit, um sich zu überlegen, was diese Summe für Teddy bedeuten konnte. Es hätte ein Ende damit, jeden Penny umdrehen zu müssen, endlich bräuchte er nicht mehr auf die Dinge zu verzichten, die für seine Schulkameraden selbstverständlich waren … Claire unterdrückte einen Seufzer. Eigentlich hatte sie gar keine Wahl. Außerdem war da ja auch noch Saud. Schon jetzt war ihr der Kleine, auf dessen Leben bereits ein Anschlag verübt worden war, ans Herz gewachsen. Sie musste zugeben, der Plan des Scheichs war wirklich gut.
„Also schön, ich willige ein.“ Fast verschluckte sie sich an den Worten, als sie Raouls wissenden Blick auf sich liegen spürte. Der Scheich bedankte sich überschwänglich, doch Claire hörte kaum zu, die Feindseligkeit in Raouls Augen machte es ihr unmöglich. Und dies war der Mann, dessen Frau sie für zwölf Monate spielen sollte! Es lag ihr schon auf der Zunge, ihre Zusage zurückzuziehen, doch er kam ihr zuvor.
„Ich werde alle nötigen Arrangements veranlassen. Zuerst fliegen wir nach Paris. Ende der Woche …“
„Paris?“
Er musterte Claires verdutztes Gesicht und lachte sarkastisch auf. „Oh, keine Sorge, ich habe keineswegs vor, Sie meinen französischen Verwandten vorzustellen. Es geht lediglich darum, dass von Ihnen als meiner Ehefrau ein gewisser Stil erwartet wird.“ Seine Lippen verzogen sich spöttisch, als er den Blick über ihre Erscheinung in dem einfachen Kostüm gleiten ließ. „Während Ihre Garderobe für Ihr aktuelles Leben ausreichen mag …“
„Mein Neffe hat recht“, mischte der Scheich sich milde ein, als er Claires Miene sah. „Er ist ein sehr reicher Mann, es wäre unangebracht …“
„Aber wenn jeder sowieso weiß, dass es sich um eine erzwungene Heirat handelt, dann wird man doch nicht erwarten …“
„Man wird
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