Paloma
machen. Sie sollen sich geprügelt haben neulich. Emiliano und dein Bruder.“
„Mein Gott!“, stöhnte Paloma.
„Na, ist ja nicht dein Problem. Also pass auf, die Wolle ist von Juan Duran, meinem Nachbar. Er hat sie hinüber aufs Festland verkaufen wollen, aber ich hab mit ihm geredet, und er hat kapiert, dass er die Transportkosten spart, wenn er an dich verkauft. Also sorge dich nicht wegen der Bezahlung. Juan weiß, dass du erst zahlen kannst, wenn du wieder Einnahmen hast – frühestens nach Ostern.“
Paloma überlegte. „Und was ist, wenn nicht genügend Pullover verkauft werden und ich Juan nicht bezahlen kann?“
„Wieso solltest du ihn nicht bezahlen können? Wenn deine Pullover letzten Sommer ein gutes Geschäft waren, sind sie es dieses Jahr auch wieder. Wir hätten zehnmal mehr verkaufen können, wenn wir nur mehr gehabt hätten.“
Darauf öffnete Paloma die Tür zu ihrem Zimmer und zeigte Antonia stolz den Stoß Pullover, der mittlerweile fast zwei Meter hoch war.
„Sehr schön. Aber noch lange nicht genug. Die verkaufe ich in einem Monat, wenn es stimmt, was die Leute sagen. Du weißt ja, alles rechnet damit, dass die Apartmentanlage an der Cala des Mortes rechtzeitig fertig wird. Und dann wird was los sein bei uns.“
Die Vorfreude auf das Menschengewimmel auf dem Platz vor dem Rathaus, auf der Plaza Consistorial, ließ Antonias Augen strahlen.
„Und sag mir Bescheid, falls die Wolle nicht reicht, dann hör ich mich um. Bestimmt kann ich noch mehr auftreiben.“
Um sich Antonia gegenüber erkenntlich zu zeigen, lief Paloma zwischen Küche und Sala hin und her und stellte auf den Tisch, was sie in der Eile auftreiben konnte. Oliven, ein Stück Tortilla, einen halben gekochten Bacalao und einen Rest Turron, schwere, fettige Mandelschokolade, die noch von Weihnachten übrig war.
Antonia ließ es sich schmecken und sagte mit vollem Mund: „So eine Tochter wie dich hätte ich brauchen können. Oder wenigstens eine Nichte wie dich. Die Idee mit den Pullovern war goldrichtig. Ich frage mich, wieso sonst niemand drauf gekommen ist.“
Paloma musste an den Schafswollpullover denken, den Philipp trug, als er mit dem Vater auf den Feldern gearbeitet hatte, aber sie sagte nichts.
„Noch sind die Chancen groß, in meine Familie einzuheiraten. Paloma überleg dir das. Meine Neffen sind recht ordentliche Burschen, du kennst sie ja. Wie wäre es denn zum Beispiel mit dem da?“ Antonias kurzer, dicker Daumen deutete zur Tür. Paloma sah, wie der Neffe sich an seinem Auto zu schaffen machte. Sie hatte ihn hereingebeten, aber er hatte es vorgezogen, draußen zu bleiben und polierte nun mit einem alten Lappen an seinem Auto herum. Man sah, dass er neu war und wohl deshalb hatte der junge Mann den Kampf gegen den ewigen Staub hier auf der Insel noch nicht aufgegeben.
Paloma schüttelte lachend den Kopf. „Dazu hab ich gar keine Zeit. Ich denke, ich soll massenhaft Pullover stricken.“
„So, du hast wohl vor, eine reiche Frau zu werden und denkst, dazu brauchst du keinen Mann. Aber ich rate dir, das überleg dir gut. Im Winter sind die Abende lang und verdammt kalt und zwei Menschen wärmen ein Haus eher als einer allein. Und dein Vater wird auch nicht ewig leben.“
Das Thema war Paloma nicht neu. In den letzten Monaten hatte es etliche Hochzeiten auf der Insel gegeben und sie war immer wieder darauf angesprochen worden, wann es bei ihr denn so weit sei. Allmählich hatte sie fast das Gefühl, die Leute machten sich eher Gedanken über ihre Zukunft als sie selber.
„Ich weiß. Aber ich hab es jedenfalls nicht eilig, mir einen Mann zu suchen.“
„Sag mir Bescheid, wenn es soweit ist“, schmunzelte Antonia. „Ich hab schließlich noch mehr Neffen.“
Paloma nickte, aber sie dachte an Philipp. Bald würden die Tage wieder länger werden. Und er hatte in einem seiner Briefe geschrieben, er komme spätestens nach dem Wintersemester, im Frühjahr also, wieder. Sie zählte bereits die Tage bis zum Frühjahrsbeginn auf dem Kalender, den ihr Vater zu Neujahr von der Bank geschenkt bekommen hatte.
Aber bis dahin hatte sie noch eine Menge zu tun. Sie arbeitete wie besessen, stand morgens zwei Stunden früher auf und spann mit ihrer kleinen Handspindel ein Knäuel Wolle nach dem anderen. Und dann machte sie sich wieder ans Stricken. Sie legte ihr Strickzeug kaum noch weg, ja sie strickte sogar, wenn sie die Ziegen und Schafe auf die Felder hinausbrachte und abends nach Hause holte. Selbst im
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