Paloma
mit Geschichten von irgendwelchen Käufern für den Hof.“
Paloma war klar, auf wie wackeligen Beinen ihre Antwort stand. Sie hatte mit Don Cladero, dem Notar, gesprochen. Da keine schriftliche Erklärung ihres Vaters, kein Testament, rein gar nichts, existierte, gehörte der Hof ihr und Mariano zu gleichen Teilen.
„Ich rate dir im Guten, mach keinen Ärger“, sagte Mariano. „Es kann sonst leicht passieren, dass ich vor Gericht gehe und mir dort mein Recht hole.“
Paloma wandte sich ab. „Das würde dir gleich sehen.“
„Hör zu, Schwesterchen. Vielleicht werden wir uns ja auch ohne Gericht einig. Ich hab einen Käufer an der Hand, der sechzehn Millionen zahlen will für den Hof und das Land. Sechzehn Millionen Peseten, acht für dich und acht für mich. Wahrscheinlich kannst du dir nicht mal vorstellen, welche Menge Geld das ist.“
„Doch. Kann ich. Trotzdem wird der Hof nicht verkauft.“
„Warts ab.“
„Und was wird aus mir? Wo soll ich hin, wenn der Hof verkauft ist? Und die Tiere? Meinst du, der reiche Mann, der so viele Millionen zahlen kann, gibt uns ein Eckchen im Stall?“
Mariano warf die Zigarette auf den Boden und zerrieb sie wütend mit seinem Schuh. „Du und deine blöden Schafe! Hast du nichts anderes im Kopf?“
„Doch. Dass ich zum Beispiel den Hof nicht hergebe, auf dem schon unser Vater, unser Großvater und auch wir beide geboren sind. Und dass ich nur hier und nirgendwo sonst leben will.“
„War wohl nichts mit deinem Ausländer, was?“ Mariano bewegte sich hinüber zu seinem Auto.
Paloma sah ihn nur schweigend an. Sah, wie sich sein Bauch wölbte wie bei einem fetten alten Mann und wie sich das grellfarbig gestreifte Hemd darüber spannte. Wie er sich gegen sein Auto lehnte, das fast so breit und lang war wie der Anbau am Haus und vom gleichen hellen Grün wie die Raupen, die manchmal unter den Geranienblättern saßen und sie völlig zusammenfraßen, wenn man nicht aufpasste. Mariano kam ihr vor wie jemand, der eher hinüber nach Monforte gehörte, zu den eleganten Läden dort und den Bars und der lauten Musik – Ana und ihr Mann hatten sie eines Abends mitgenommen und sie hatte sich alles sehr genau angesehen – und nicht wie einer, dessen Eltern sich noch auf den Feldern den Rücken krumm gearbeitet hatten.
Als Marianos Auto in einer Staubwolke davon schoss, schwor Paloma sich, die ganze Angelegenheit möglichst rasch zu regeln und den Weg zu gehen, den der Notar ihr empfohlen hatte und ein für allemal reinen Tisch zu machen.
Und noch etwas hatte sie sich vorgenommen. Als sie das nächste Mal unten im Ort zu tun hatte, besorgte sie ein Vorhängeschloss für das Tor. Nicht wegen der Touristen, die sich hierher verirrten sondern wegen Mariano. Sie würde ihm das Tor öffnen, wenn er wieder auf den Hof kam, aber er sollte nicht das Gefühl haben, hier noch ein- und ausgehen zu können, ganz wie es ihm passte.
Mariano kam jedoch nicht wieder. Bereits in der folgenden Woche nahm der Notar auf Palomas Bitte hin die Angelegenheit in die Hand und setzte sich mit Mariano direkt in Verbindung. Und da dieser vermutlich dringend Geld brauchte, seine Diskothek blieb weiterhin geschlossen, ging er auf die Abfindung ein, die der Notar ihm in Palomas Namen anbot.
Allerdings dauerte es dann doch länger als Paloma erwartet hatte, bis wirklich alles geregelt war. Der Sommer verging und nahezu auch der Herbst, ehe Paloma den Hof rechtmäßig und endgültig als ihr Eigentum betrachten konnte. Und es kostete sie eine Menge mehr als sie aus eigener Kraft aufbringen konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als eine Hypothek auf den Hof aufzunehmen. Im Übrigen war es ihr hundertmal lieber der Bank gegenüber verpflichtet zu sein als Mariano. Vor allem als ganz und gar unerwartet ein überaus triftiger Grund auftauchte, weshalb Paloma den Hof unter allen Umständen halten wollte.
Nach Philipps Abreise hatte sie sich zwar gefragt, ob sie möglicherweise schwanger sein könnte, aber das erschien ihr ähnlich unwahrscheinlich wie etwa ein Hauptgewinn in der Weihnachtslotterie. Und so schob sie den Gedanken weit von sich. Erst als ihre monatliche Regel zum zweiten Mal ausblieb, begann sie daran zu zweifeln, dass ihr Körper sie vielleicht nur deswegen narrte, weil sie sich so sehnlichst ein Kind wünschte.
Seit dem Tod des Vaters erschien ihr die Einsamkeit, in der sie nun lebte, kaum noch erträglich. Gelegentlich tauchte noch der eine oder andere der Männer auf, hauptsächlich
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