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Paloma

Paloma

Titel: Paloma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Dannenmann
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Jeder weiß doch, wie er ihm das Geld für seine Grundstücke aus der Tasche gezogen hat. Sei mal ehrlich, es ist nichts Schriftliches da wegen des Hofs, oder?“
    „Nein. Aber mein Vater hat immer gesagt, dass ich ihn einmal haben soll ... gerade weil Mariano das Geld bekommen hat, aber ...“
    „Kind, gesagt haben kann er viel. Du hättest es dir schriftlich geben lassen müssen.“
    Paloma spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Obwohl Antonia nur das ausgesprochen hatte, was ihr auch selber mittlerweile klar war.
    „Nichts gegen deinen Vater. Aber es ist doch immer dasselbe. Keiner will daran denken, seine Angelegenheiten beizeiten zu regeln.“
    „Was soll ich machen? Gibt es überhaupt irgendwas, was ich machen kann?“
    „Im schlimmsten Fall gehört euch der Hof gemeinsam. Selbst wenn es eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit ist. Wenn du willst, kann ich gleich morgen mit Gabriel reden, du kennst ihn ja, der alte Gestor in der Calle Los Angeles. Oder du gehst gleich zum Notario, sobald er wieder auf der Insel ist ... Komisch, kaum hab ich das von deinem Vater erfahren, hab ich mich gefragt, wie ihr beide euch wohl einigt. Mach dich darauf gefasst, dass du, falls es hart auf hart kommt, deinem Bruder seinen Anteil am Hof auszahlen musst. Du willst ihn ja wohl auf alle Fälle halten? Auch wenn es schwer wird für dich so ganz allein.“
    „Auf alle Fälle. Ich schaff es schon irgendwie. Der Hof ist alles, was ich habe, weißt du ja.“
    „Hm“, nickte die alte Antonia. „Mich würden sie auch nur mit den Füßen voran hier wegkriegen. Freiwillig ginge ich nicht.“
    Sie blickte auf das weite, leicht hügelige Tal mit seinen fruchtbaren Feldern und den schnurgeraden Reihen kräftiger kleiner Orangenbäume, aber dabei bekam ihr Blick etwas kühl Berechnendes. „Ich warte nur auf den Tag, wo die Leute es satt haben, ihren Urlaub unten an den Stränden, eingepfercht wie Tiere, in den großen Hotels zu verbringen. Und dann, das sage ich dir, dann ist meine Stunde gekommen, dann verkaufe ich mein Land hier im Tal. Aber den Preis, den bestimme ich.“ 
    Paloma schwieg. Was Antonia mit ihrem Besitz machte, war deren Sache. Sie jedenfalls würde nie, niemals auch nur einen Meter von ihrem Ackerland hergeben, zu keinem Preis. Und selbst wenn sie Tag und Nacht bis zum Umfallen arbeiten müsste. Das Land und der Hof waren eins. Und für den Hof würde sie kämpfen.
    Danach rechnete Paloma praktisch jeden Tag mit Marianos Aufkreuzen auf dem Hof und lief jedes Mal mit klopfendem Herzen vors Haus, wenn irgendwo in der Nähe ein Auto zu hören war. Das kam häufiger vor in letzter Zeit, da sich immer wieder Touristen mit ihren Mietautos auf den Camino verirrten, der am Hoftor endete. Aus der Ferne beobachtete sie die umständlichen Wendemanöver auf dem schmalen, von Mauern eingefassten Weg und nahm sich vor, eines Tages ebenfalls eines dieser Schilder mit der Aufschrift „Camino Privado“ aufzustellen, die neuerdings häufig zu sehen waren.
    Aber Mariano ließ sich Zeit. Als er schließlich auftauchte, waren fast auf den Tag fünf Wochen seit dem Tod des Vaters vergangen. Mittlerweile hatten sie Ende Juli. Vorher allerdings passierte noch etwas so völlig Unvorhergesehenes, dass Paloma über mehrere Tage Mariano völlig vergaß.
    Sie war unten im Ort und hatte ihre wöchentlichen Einkäufe erledigt. Nicht im Laden der alten Pilar, den gab es nicht mehr, auch ihr Haus war längst verschwunden. An seiner Stelle ragte jetzt ein dreistöckiges Gebäude in die Höhe, und im Erdgeschoss gab es den größten Laden, den man auf der Insel je gesehen hatte. Supermercado genannt. Endlos lange Regale zogen sich durch einen riesigen Raum, vollgepackt mit den erstaunlichsten Sachen. Anfangs war dann auch die halbe Insel, zumindest alle Bewohner, die noch gut zu Fuß waren, zusammen gelaufen und durch das Labyrinth der Regale gepilgert, um das riesige Warenangebot zu bestaunen. Obst-, Käse- und Wurstsorten, die sie nicht einmal dem Namen nach kannten, die allerdings auch fast unbezahlbar waren – zumindest für Paloma. Selbst über die Preise für Kartoffeln, Eier oder Zwiebeln, verglichen mit den Preisen bei der alten Pilar, wunderte sie sich. Die ließ sich nur selten in dem neuen Laden blicken, ihr Rücken war mittlerweile so krumm, dass sie geradezu winzig geworden war. Sie passte mit ihren Trachtenröcken auch nicht so recht zu den blitzenden Theken aus Glas und Stahl und den summenden Kühltheken. Ihr Sohn Ramon, der an

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