Pan Tau
Pan Tau war bei ihm. Also wünschte er sich das.
Pan Tau sagte nichts. Er berührte bloß mit der Zaubergerte seine Melone, und Emil und seinen Freunden wuchsen plötzlich so schöne, echte Bärte, daß der Platzanweiser im Kino, wo Rauchende Colts um Mitternacht gespielt wurde, eine tiefe Verbeugung machte. Pan Tau sprach kein Wort, auch als Emil ihm befahl:
»Die Rechenaufgabe! Aber ordentlich, damit es eine Eins wird!« Pan Tau machte die Rechenaufgabe so ausgezeichnet, daß Emil in der Schule tatsächlich eine Eins bekam.
Zeichnen ging ihm nicht so gut von der Hand.
Es reichte nur für eine Zwei. Doch die genügte Emil. Vorher hatte er in Zeichnen eine Drei gehabt. Er strahlte vor Zufriedenheit. Nichts mehr selber tun zu müssen, war herrlich. Er brauchte nur zu sagen:
»Tu mal dieses, tu mal das!«
Und Pan Tau tat alles, was Emil gerade wünschte. Warum soll ich ihm nicht die Freude machen, dachte er. Er ist mein Freund. Wenn er Einser braucht, soll er Einser haben; ich selbst habe zwar nie Einser gebraucht und lebe auch, doch er soll sie haben, warum nicht? Er weckte Emil sogar des Morgens und brachte ihm das Frühstück ans Bett. Doch das war Emil noch zu wenig.
»Tee? Nein, lieber Kakao! Und Schaumrollen mit Schlagsahne!« Pan Tau zuckte die Achseln. Er zauberte den Tee weg und den Kakao und die Schaumrollen herbei. Doch der Junge Emil gefiel ihm nicht mehr so recht. Und die Zauberei machte ihm schon keinen Spaß mehr. Wegen eines einzigen Frühstücks sechsmal auf die Melone trommeln und dann mit den Fingern am Hutrand einmal nach links und einmal nach rechts fahren! Der Arm tat ihm schon weh davon. Wehmütig dachte er an das Märchen mit nur drei Wünschen. Sechs Wünsche in fünf Minuten sind einfach zuviel für einen Zauberer. Es waren sogar sieben Wünsche, denn eben befahl Emil: »Mach dich schnell klein, damit ich dich in die Schule mitnehmen kann! Aber schlaf nicht wieder ein in der Schultasche! Das ist dir, hoffe ich, gestern zum letztenmal passiert!«
Zum letztenmal!
Das waren die Worte, die auf Pan Tau wie ein Signal wirkten.
Er nickte und ließ sich gehorsam in die Schultasche zu den Turnschuhen, dem Pausenbrot, dem Bleistiftetui und dem Rechenbuch stecken. Zum letztenmal! Diese Worte gefielen ihm immer besser. Er beschloß: Noch einen einzigen Wunsch erfülle ich ihm, und dann ist Schluß!
Nein, zwei Wünsche noch!
Oder drei?
Drei. Er war mein Freund. Drei Wünsche würde ihm im Märchen jede kleine Ameise erfüllen. An Emil soll nicht gespart werden. Drei und drei ist sechs. Also noch sechs Wünsche. Und wenn ein einziger nicht selbstsüchtiger Wunsch dabei ist, bleibe ich bei ihm.
Nein. Sechs sind zuviel.
Fünf?
Fünf Wünsche sind wieder etwas wenig. In den Bergen haben wir eine Menge Spaß miteinander gehabt. Und er hat doch Alik gern! Es war dunkel in der Schultasche, außerdem drehte sie sich und flog hin und her, während Emil in die Schule rannte. Pan Tau drückte sich an den Beutel mit den Turnschuhen. Er schob den Bleistiftspitzer weg, der die Melone zu zerquetschen drohte. Die Aktentasche war keinesfalls der günstigste Platz zum Überlegen. Sechs Wünsche, das ist viel.
Fünf wenig.
Emil hatte die Schule erreicht. Die Schultasche hopste, als der Junge die Stiegen hinauflief. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Das Stiegenhaus war bereits leer.
Eben hatte Pan Tau die Lösung gefunden: fünf Wünsche und einen halben.
Die Schultasche wurde geöffnet, und Emil, der den Klassenlehrer Radetzky bereits zur Tür der dritten A gehen sah, sagte zu Pan Tau: »Halt ihn auf! Für fünf Minuten!«
Er ahnte nicht, daß er nur noch fünf Wünsche und einen halben hatte. Eigentlich nur vier und einen halben, denn als er Halt ihn auf! gesagt hatte, ließ Herr Radetzky die Türklinke los, machte kehrt und ging wieder zurück ins Lehrerzimmer
»Immer vergesse ich etwas«, sagte er zum Direktor und lenkte seine Schritte zum Schrank, um Globus und Landkarte zu holen. »Aber...« Verdutzt sah der Schuldirektor dem Klassenlehrer Radetzky nach, der mit dem Globus im Arm zurück in seine Klasse eilen wollte. »Aber Sie haben jetzt Rechnen, Herr Kollege!«
Das vierte Kapitel. Wir kommen samt dem Äffchen Kleopatra und der Schildkröte Nebukadnezar durch den Zoll. Das Äffchen schläft, die Schildkröte kriecht am Boden des Autos herum, und bevor sie ihre Geschichte weitererzählt, sagt Vivian:
»Wir müssen Herrn Radetzky unbedingt eine Ansichtskarte aus Holland schicken. Auch
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