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Pan Tau

Pan Tau

Titel: Pan Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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fettigen Finger ab.
    „Zuerst hatte ich mit Claudia Indianer gespielt«, berichtete er. »Ich fand es ganz lustig. Bis sie mich gefesselt und an den Marterpfahl gebunden hat und der Verwaltungsrat meiner Firma mich befreien mußte. Danach spielten wir mit Glasmurmeln.«
    »Mit Glasmurmeln?«
    »Ja, mit ganz gewöhnlichen Glasmurmeln. Claudia hatte die Idee gehabt. Als Bub hatte ich in jedes Grübchen getroffen, sogar blind. Das brachte jetzt Claudia fertig. Ich schaffte es nicht mehr. Um trainieren zu können, ließ ich in jedes Zimmer meines Schlosses Grübchen ins Parkett bohren. Trotzdem konnte ich Claudia nie besiegen. Es war herrlich! Ich dachte nicht mehr an meine Aktienkurse. Wenn uns die Murmeln keinen Spaß machten, spielten wir Räuber und Gendarm und Verstecken. Claudia fand mich immer, ich sie nur einmal, aber darüber war ich nicht traurig. Als Bub hatte ich ja immer gern gespielt. Einmal war ich sogar von zu Hause weggelaufen, weil ich als blinder Passagier eine Reise um die Welt machen wollte. Zu den Indianern, nach Afrika auf Löwenjagd, zum Nordpol, um Eisbären zu schießen. Ich erzählte es Claudia.
    Sie fragte: Warum bist du denn nicht später hingefahren? Ich wußte keine Antwort. Ich sagte: Weil... weil ich erwachsen geworden bin.« W. Viola blieb vor einem Spielzeugladen stehen.
    »Was wollten Sie als Bub haben, Anderson? Eine Pistole? Und Sie, Vivian? Eine Puppe, die Mama sagt? Warum gehen Sie nicht hinein und kaufen Sie? Wenigstens jetzt?«
    »Haben Sie sich einmal gekauft, was Sie sich als Kind gewünscht hatten?«
    »Ja. Im Reisebüro. Die Reise um die Welt in einundzwanzig Tagen. Luxusausführung. Montag Nordpol. Ankunft mit Hundeschlitten. Das Reisebüro bot mir zwei Eisbären zum Abschuß an. Ich bestellte sechs, natürlich in sicherer Entfernung auf einer davontreibenden Eisscholle. Ich bin schließlich kein Jüngling mehr und hatte ein Kind bei mir. Die Nacht wollten wir in einem verschneiten Iglu verbringen. Am Morgen Abfahrt mit einem Eisbrecher... Auf offenem Meer umsteigen ins Mutterschiff... Drei Wale in Sicht... Mittagessen mit dem Kapitän... Am Mittwoch Station beim See Loch Ness, glaube ich... Ausflug mit einem U-Boot... Ich stellte nur eine einzige Bedingung: Mein eigenes Bett, und zwar überall. In fremden Betten kann ich nicht schlafen... Freitag zu den Indianern, zu Pferd... Aber das alles war noch immer nicht das, was ich suchte, mein Kindertraum... Einmal etwas erleben, was noch kein Mensch erlebt hat... Irgendwohin fahren, wo noch niemand war, außer uns beiden, Claudia und ich... Merkwürdig, aber so etwas hatte das Reisebüro nicht... Doch ich buchte diese Luxusreise... Dann suchte ich Claudia... Sie war weg... Ich fand sie auf der Straße, wo eben ein armseliger Zirkus mit einem ziemlich räudigen Affen und einem trommelschlagenden Dummen August fuhr. Claudia lief diesem Zirkus nach und sagte zu mir: Weißt du, was schöner wäre als eine Reise um die Welt? Mit dem Zirkus herumfahren! Du würdest den Dummen August machen, und ich hätte das Äffchen auf den Schultern sitzen. Oder ich möchte mit dir davonlaufen, und du hast kein Geld mehr, und wir übernachten im Wald oder unter der Brücke und klauen Kartoffeln und braten sie uns dann auf einem Feuer.«

Fünftes Kapitel. W. Violas Reise um die Welt.
    Der Mann vom Reisebüro hat eine Melone und einen Regenschirm. Und das Bett?

    W. Viola wollte nicht den Dummen August spielen. Er wollte auch nicht unter einer Brücke übernachten. Nur wegen so eines räudigen Affen!
    »Morgen wirst du in Afrika Tausende von Affen sehen!« versprach er Claudia im Auto. »Und Löwen und Tiger und Zebras und Leguane...«
    »Aber so macht das doch keinen Spaß!« sagte Claudia seufzend.
    Voll Neid blickte sie auf die Autostopper am Straßenrand. Die Mädchen trugen vergammelte Blue jeans. »Weißt du, was ich mir wünsche? Etwas zu erleben, was noch keiner erlebt hat...«
    Viola sah Claudia erstaunt an. Er dachte:
    Sie hat die gleiche Nase wie ich, auch die Sommersprossen auf der Nase. Und die gleichen Träume. Überhaupt ist sie mir sehr ähnlich.
    Auch ich wollte früher einmal etwas erleben, was noch keiner erlebt hat. Irgendwohin gehen, wo noch keiner gewesen ist, ein Indianer sein und Mustangs fangen. Aber so etwas kann man nicht im Reisebüro bestellen, selbst wenn man Millionär ist und ein Schloß hat mit einem Schwanenteich.
    Betrübt sagte Claudia während des Abendessens:
    »Ich glaube dir nicht, daß du einmal als blinder

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