Pan Tau
Korridor führte, erschienen wie durch ein Wunder Spuren von Pferdehufen. Mehr und mehr Spuren wurden es, doch das unsichtbare Pferd regte schon niemanden mehr auf.
»Das schlimmste ist, daß keiner weiß, was Pan Tau in der nächsten Minute tun wird«, sagte Regisseur Polak auf dem Weg ins Atelier vier, wo die Dekoration der Wohnung von Emils Eltern aufgebaut war.
Die Scheinwerfer in Atelier vier beleuchteten das Badezimmer mit der Wanne, in der der Filmkarpfen Albert schwamm. Emils Filmpapa hielt einen Fleischklopfer in der Hand. Die Einstellung zweihundertvierundzwanzig wurde gedreht.
»Den Karpfen Albert spreche ich selbst«, sagte Regisseur Polak und erklärte dem Schauspieler, der Emils Vater darstellte: »Wenn ich sage: Berühr mich nicht, hast du trockene Hände? machen Sie einen Schritt zurück. Den Fleischklopfer verstecken Sie hinterm Rücken. Mehr nicht, nur ein großes Staunen, daß der Karpfen redet, wenn auch miserabel. Bitte Ruhe! Licht! Kamera!«
Die Kamera surrte, und jemand schimpfte:
»Scheinwerfer aus! Wollt ihr mich in dem Wasser kochen? Faß Julian nicht an, Mörder! Wozu brauchst du den Fleischklopfer?« Es war der Karpfen. Er redete, auch wenn er nicht Albert, sondern Julian hieß. Ich blickte mich im Atelier um. Neben der Tür links stand ein Herr mit Melone. Ein anderer Herr mit Melone stand neben der Tür rechts.
»Das ist er! Pan Tau!« schrie Vivian und rannte mit Quincy und W. Viola-Elektro zur linken Tür. »Ich hab gesehen, wie er auf die Melone trommelte! Er ist es! Pan Tau!«
In Quincys Händen blitzten die Handschellen auf. Schon zum zweitenmal an diesem Tag schnappten sie zu. Wieder am Griff des Regenschirms.
»Sie langweilen mich bereits«, sagte mit trauriger Stimme der Schauspieler Simanek und streifte die Handschellen vom Regenschirm ab. »Sie und Ihr Pan Tau! Ich gebe die Rolle zurück. Soll er sie doch selber spielen! Ich kann den Hamlet oder Charleys Tante spielen, aber aus einer Melone einen sprechenden Karpfen zu zaubern, das bringe ich nicht fertig.«
»Ihr Glück«, sagte Quincy.
»Schade«, meinte W. Viola. »Hamlet und Charleys Tante kann jeder spielen. Aber es gibt nur einen Pan Tau, und der ist nicht da.« Der echte Pan Tau war bereits nicht mehr im Atelier.
Mit ihm verschwunden waren Emil, die rothaarige Claudia und der Dackel Schönling, genannt die Schlange. In der Wanne unter den ausgeschalteten Scheinwerfern schwamm einsam der Karpfen Albert-Julian. Es war ein Karpfen mit der Seele eines Dichters. Er rezitierte krächzend ein Gedicht, das er eben gereimt hatte:
Ein Karpfen hat’s fein,
kein Bein
schläft ihm ein.
Draußen im Korridor klapperten Hufe. Durchs Filmatelier ritt der Prinz auf dem Schimmel. Es war der verschwundene Prinz aus einem ganz anderen Märchen.
Drittes Kapitel. Vivian und ich warten nicht länger.
Pan Tau kann nicht weit sein.
Erste Spuren.
Es war wie im Irrenhaus. In dem Cowboy-Städtchen aus Sperrholzplatten und Pappe tobte eine Schlacht zwischen Indianern und Weißen. Mitten in dem Kampfgetümmel kroch ein neunköpfiger Drache und spie Feuer. In der Höhe schwebte der Ballon aus dem Jules-Vernes-Film Neun Wochen in einem Ballon.
»Klar, hier sind sie gegangen«, sagte der Indianer auf dem Pferd und zeigte mit dem Tomahawk zur Pförtnerloge des Filmateliers. »Ein Herr mit Melone, ein Junge und ein Mädchen und ein Hund.« Er wich vor dem Drachen zurück und schoß ihm einen Pfeil in eines der Mäuler, während ein anderes der restlichen acht ihm das Stirnband aus Gänsefedern wegschnappte und es wie eine Himbeere schluckte.
Aus dem Ballon fielen bunte Fähnchen.
»Manchmal finde ich, daß sich Pan Tau wiederholt«, sagte W. Viola. »Mit dieser Indianerschlacht im Filmatelier?«
»Nein, damit nicht. Ich denke an den Prinzen, der sich in einen unsichtbaren Prinzen verwandelt, und an den gewöhnlichen Karpfen, der zu einem dichtenden Karpfen wird.«
Wir gingen durch die Pforte des Filmateliers. Hinter der Kurve stadteinwärts verschwand eben der gelbe Ferrari mit Fleming und Collins. Auch die Astronauten suchten Pan Tau. Ihre Taschen waren noch vollgestopft mit Bonbons.
Es schien, daß Pan Tau nun absichtlich Spuren hinterließ, damit wir ihn fanden. Ein Haus hatte sich verwandelt. Tür und Fensterläden waren rosa getupft. Überdies entdeckten wir auf der Straße einen großen, mit grüner Kreide gezeichneten Pfeil. Er zeigte in Richtung Stadt.
Bunte Tupfen fanden wir auch auf den Speisekarten des
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