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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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Geliebten war damals nicht die Rede gewesen. Obwohl Naomi ihrer Mutter keine direkte Schuld an dem Scheitern der Ehe gab, warf sie ihr insgeheim doch vor, nicht genug um die Rettung ihrer Beziehung gekämpft zu haben. Daher empfand sie jedes Mal große Wut, wenn sich ihre Mutter abfällig über ihren Vater äußerte.
    »Wir werden uns in einem anderen Stadtteil nach einer günstigeren Wohnung umschauen müssen«, sagte Simone tonlos.
    Das Geld, das sie bisher regelmäßig aus Kolumbien erhalten hatte, reichte nur für die Miete der Altbauwohnung in Charlottenburg, in der sie und Naomi auch nach dem Auszug ihres Mannes noch wohnten. Simone hatte nach der Trennung verschiedene Mini-Jobs als Putzhilfe und Babysitterin angenommen, weil sie in ihrem alten Beruf als Bibliothekarin keine Anstellung mehr fand. Das Geld, das sie dabei verdiente, reichte kaum aus, sich und Naomi über Wasser zu halten.
    »Du wirst denken, dass ich übergeschnappt bin, wenn ich dir erzähle, dass Papa gerade auf dem Handy angerufen hat. Er war nicht in der Maschine!«
    Ihre Mutter lächelte nur müde. »Schatz, ich weiß, das war alles zu viel für dich in den letzten Tagen.«
    Ohne darauf einzugehen, zog Naomi ihr Handy hervor und zeigte ihrer Mutter den letzten Eintrag auf der Anruferliste.
    Simone stutzte kurz, dann meinte sie nur: »Wahrscheinlich wurde ihm sein Handy gestohlen. Du musst endlich akzeptieren, dass dein Vater tot ist.«
    »Hier, deine Cola!«
    Naomi zuckte kurz zusammen, als eine Stimme sie zurück in die Realität riss. Es war Rafael, der ihr eine Cola-Dose gekauft hatte und sie nun zaghaft anlächelte. Naomi erwiderte sein Lächeln und schaute sich im Alexa um. Sie war erstaunt über den Menschenandrang, der inzwischen in dem großen Shoppingcenter am Alexanderplatz herrschte. Offenbar war sie in den letzten Minuten so in Gedanken versunken gewesen, dass sie nichts mehr um sich herum wahrgenommen hatte. Immer wieder schob sich ein Pulk Menschen durch den Eingang und strömte wie ein Ameisentrupp über die Rolltreppen hinauf und hinunter in die verschiedenen Etagen.
    Naomi steckte ihr Smartphone ein und schaute auf ihre Casio Electro Luminescence, eine goldene Digitaluhr im Design der Achtzigerjahre. Die Leuchtziffern zeigten siebzehn Uhr elf an. Die Menschen kamen nach der Arbeit hierher, um einzukaufen, zu essen oder um einfach nur einen Schaufensterbummel zu machen. Für Jugendliche war das Alexa der ideale Treffpunkt. Dort konnten sie in der Nähe des Eingangs entspannt herumsitzen, die zahlreichen Jungen und Mädchen beobachten, die durch die großen Türen hereinkamen, und neue Bekanntschaften knüpfen.
    »Lass uns was essen gehen, ja?«, schlug Rafael vor.
    Naomi, die neben einem fremden Jungen mit Punkerschnitt und Piercings in Nase und Augenbrauen saß, nickte kurz. Dann stand sie auf und folgte Rafael zur Rolltreppe.
    Die beiden kannten sich noch nicht lange. Naomi war mit ihm in derselben Klasse auf dem Gymnasium, das sie seit relativ kurzer Zeit besuchte, nachdem sie mit ihrer Mutter umgezogen war. Sie hatte den Jungen auf Anhieb gemocht, und ihr war nicht entgangen, dass auch er sich zu ihr hingezogen fühlte. Aber was fand Rafael an ihr attraktiv? Vielleicht ihr langes, dickes dunkelblondes Haar, um das andere Mädchen sie beneideten? Allerdings war sie schon oft kurz davor gewesen, es abzuschneiden, weil es widerborstig und nicht leicht zu pflegen war. Oder ihre stahlblauen Augen, von denen eine gewisse Sogwirkung ausging, wie manche behaupteten? Sie tat es allerdings ab, wenn jemand ihr deswegen Komplimente machte. Etwa ihre sanft geschwungenen Lippen?
    Sie selbst hielt sich nicht für besonders hübsch oder gar begehrenswert. Außerdem machte sie sich nicht viel aus ihrem Äußeren. Klar, sie hatte eine schlanke Figur und würde problemlos in kurze Röcke und enge Kleider hineinpassen. Sie trug aber lieber Jeans und bequeme Sweatshirtjacken, so wie die dunkelgraue, die sie gerade anhatte. Ihr blasses Gesicht mit den vielen Sommersprossen hätten andere Mädchen durch viel Schminke zu kaschieren versucht, ihr war das jedoch egal. Schließlich gab es immer irgendwelche Jungs, die sie trotzdem anziehend fanden. Und es kam auch gelegentlich vor, dass sie sexuell angemacht wurde. In ihren Augen waren das alles Idioten. Rafael gehörte definitiv nicht zu dieser Kategorie, denn er bedrängte sie nie. Seine zaghaften Annäherungsversuche erwiderte sie sehr selten; zumeist verhielt sie sich eher teilnahmslos, da sie

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