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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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Kopf, die sie vernahm.
    »Kennen wir uns?«, fragte der Mann, der vor ihr stand und sie erstaunt anblickte.
    Naomi wurde plötzlich schwindelig. Sie wusste, was jetzt passieren würde. Sie kannte die akuten Symptome ihrer Krankheit nur allzu gut: Ihr Herz fing an zu rasen, und die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Dann begann sie, stark zu schwitzen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn und liefen als kleine Rinnsale über Augen, Nase und Kinn das Gesicht hinunter. Sie bekam Atemnot; und ihr ganzer Körper begann zu zittern, so als wäre sie an einer Maschine angeschlossen, die ihr unentwegt Stromstöße verpasste.
    Dann sackten Naomis Beine weg, und sie fiel auf den Boden.
    Eine Frau rief panisch: »Ruft irgendeiner einen Notarzt!?«
    Bevor ihr schwarz vor Augen wurde, sah Naomi noch, wie sich Rafael durch die Menge der Schaulustigen drängte, die im Kreis um sie herumstanden, und sich neben ihr hinkniete. Mit weit aufgerissenen Augen, in denen Angst zu lesen stand, fragte er etwas, das sie aber nicht mehr verstehen konnte.

3
    BERLIN-MITTE, PLATTENBAUSIEDLUNG,
20. NOVEMBER
    Dicke Regentropfen prasselten gegen die Scheibe. Naomi starrte zum Himmel, an dem dunkle Wolken sich zu einem grauen Teppich über Berlin zusammenschoben. Dann senkte sie den Blick wieder nach unten auf die Straße. Hier oben hatte man das Gefühl, weit über der tristen Alltagswelt zu schweben – so als säße man in einer Art Raumstation und blickte hinunter auf die Stadt: Die Menschen dort unten waren so groß wie Ameisen, ihre aufgespannten Schirme wirkten wie Farbkleckse, und die Autos hatten Spielzeuggröße.
    Zweiundzwanzigster Stock an Erde: Könnt ihr mich hören?
    In den letzten Jahren gab es Plattenbausiedlungen, die man luxussaniert hatte für eine Klientel, die es hip fand, in einer ehemaligen Ost-Großwohnsiedlung zu leben. Naomi und ihre Mutter wohnten allerdings in einer »normalen Platte« für die unteren Schichten. Das Gebäude war zwar grundsaniert worden, machte aber insgesamt einen trostlosen Eindruck. Nur die günstige Miete und die Nähe zu Simones Arbeitsstellen hatten die beiden Frauen dazu veranlasst, hier hinzuziehen.
    Seit zwei Tagen war Naomi jetzt schon zu Hause und hatte nicht ein einziges Mal den Fuß nach draußen gesetzt. Nach ihrem Zusammenbruch im Alexa war sie von einem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht worden. Dort hatte man ihren Zustand wieder stabilisiert und sie dann heimgeschickt.
    Sie war nun mitten drin in einem Martyrium, von dem sie nicht wusste, wie lange es noch dauern würde. Ihre Mutter hatte sie den Rest der Woche vorsichtshalber vom Unterricht befreien lassen und würde sie erst wieder zur Schule schicken, wenn sie sich psychisch und körperlich wieder besser fühlte. Es war schon häufiger vorgekommen, dass Naomi in der Schule unerwartet von einer Angstattacke überfallen wurde und deswegen ungewollt im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Als Folge davon hatte sie eine soziale Phobie entwickelt. Es kostete sie inzwischen große Überwindung, den Unterricht zu besuchen, weil es ihr zunehmend schwerer fiel, diesen inneren Widerstand vor dem Zusammensein mit anderen Menschen zu überwinden.
    Naomi besaß ein Fernrohr. Es stand vor dem Fenster auf einem Stativ, das sie jetzt zu sich herdrehte, um durch das Glas zu schauen. Sie hatte sich angewöhnt, Nachbarn damit zu beobachten, wenn sie allein zu Hause war.
    Sie schwenkte von der Kirchenuhr, die kurz vor drei anzeigte, zum Eingang der U-Bahn, der auf der anderen Seite der breiten, vierspurigen Straße lag. Ein paar Menschen liefen hinunter oder kamen aus dem Ausgang heraus. So wie jeden Tag, fast immer zur gleichen Zeit, würde in ein paar Minuten dort auch Johanna Wedkind mit der Rolltreppe nach oben kommen.
    Vor Naomis innerem Auge lief das weitere Geschehen ab, das immer exakt zwölf Minuten dauerte:
    Auf dem Gehweg legt Johanna Wedkind eine kurze Verschnaufpause ein, bevor sie mit ihrem Einkaufsroller weiter zu der wenige Meter entfernten Ampel geht, die zu dem Zeitpunkt immer auf Rot steht. Sie wartet, bis die Ampel auf Grün schaltet, und überquert die Straße. Anschließend geht sie links an der Bushaltestelle vorbei, an der zu dieser Zeit der Linienbus hält. Dort steigen ein Junge und ein Mädchen aus, die von der Schule kommen. Die beiden grüßen kurz die alte Frau und laufen schnell an ihr vorbei. Dann geht sie über den betonierten Weg, der durch groß angelegte Grünflächen führt, zur Eingangstür und tritt ein. Sie

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