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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Gleichgewicht und stütze mich mit einer Hand ab, die blutbeschmiert ist, als ich sie wieder hochnehme.
    Raven wirbelt herum. Sie weicht einem Aufseher aus, macht kehrt und schlägt ihm mit dem Kolben ihrer Waffe fest auf die Kniescheibe. Als er nach vorne kippt, tritt sie ihn in den Rücken: Es macht knack , als sein Kopf gegen das metallene Waschbecken stößt. Und schon dreht sie sich zu dem Zimmer um, in dem Finemans Leibwächter sind, und blockiert die Tür mit einem kleinen Skalpell, das sie durchs Schlüsselloch schiebt. Sicherheitshalber rollt sie noch einen Metallwagen vor die Tür. Medizinische Instrumente fliegen überall herum, die Leibwächter drücken schreiend gegen die Tür und der Wagen kippt ein paar Zentimeter. Aber die Tür geht nicht auf, zumindest noch nicht.
    Ich bin drei Meter von Julian entfernt – Schreie, Schüsse und jetzt heult kreischend eine Alarmanlage –, dann anderthalb Meter, dann bin ich neben ihm, fasse ihn an den Armen, den Schultern, will ihn einfach spüren, sichergehen, dass er echt ist.
    »Lena!« Er hat gegen die Handschellen angekämpft und versucht, sie abzukriegen. Jetzt blickt er auf, mit seinen hellen, leuchtenden Augen, himmelblau. »Was machst du …«
    »Keine Zeit«, sage ich. »Bleib unten.«
    Ich renne auf den Aufseher zu, der immer noch zusammengesunken neben dem Waschbecken liegt. Undeutlich nehme ich Geschrei wahr, Raven, die sich immer noch dreht, duckt, herumwirbelt – fast sieht es aus, als würde sie tanzen –, und gedämpfte Explosionen. Der Journalist ist weg. Er muss abgehauen sein.
    Der Aufseher ist kaum bei Bewusstsein. Ich knie mich neben ihn und schneide ihm schnell den Gürtel ab, dann nehme ich den Schlüssel und renne zurück zum Tisch. Meine rechte Handfläche ist nass vom Blut, aber ich spüre den Schmerz kaum. Ich brauche zwei Versuche, bis ich den Schlüssel in das Handschellenschloss bekomme; dann gelingt es mir, Julian befreit sein Handgelenk vom Tisch und zieht mich an sich.
    »Du bist gekommen«, sagt er.
    »Natürlich«, erwidere ich.
    Dann steht Raven neben uns. »Wir müssen weg.«
    Es hat nur eine Minute gedauert, vielleicht noch nicht mal, und Thomas Fineman ist tot, in dem Zimmer herrscht Chaos und wir sind frei.
    Wir rennen durch den Vorraum, als ein krachender, blecherner Lärm ertönt, klirrendes Metall und laute Schreie – die Leibwächter müssen sich befreit haben. Dann huschen wir auf den Flur, wo die Sirene heult. Wir können bereits trampelnde Schritte im Treppenhaus hören.
    Raven zeigt mit dem Kopf nach rechts zu einer Tür mit der Aufschrift: ZUGANG ZUM DACH, NOTAUSGANG. Wir bewegen uns schnell, schweigend, konzentriert – durch die Tür und auf die Feuerleiter. Dann klettern wir dicht hintereinander die Metalltreppe bis zur Straße hinunter. Raven zieht ihren zu großen Kittel aus und nimmt den Mundschutz ab, die sie beide unter dem Arm zusammenknüllt. Ich frage mich, wo sie die herhat, und dann fällt mir die dicke Frau am Empfang wieder ein, deren Brüste den Laborkittel beinahe gesprengt haben.
    »Hier lang«, sagt Raven kurz angebunden. An ihrer Wange und ihrem Hals sehe ich mehrere kleine Schnitte; offenbar hat sie Glassplitter abbekommen.
    Wir sind in einem kleinen, schäbigen Garten mit einer Garnitur verrosteter Gartenmöbel und einem Fleck struppigem braunem Gras gelandet. Er ist von einem niedrigen Maschendrahtzaun umgeben, über den Raven mit Leichtigkeit klettert. Mir fällt es etwas schwerer, und Julian, der hinter mir ist, hilft mir hinüber. Meine Hand hat angefangen zu pochen und der Maschendraht ist glitschig. Es regnet jetzt stärker.
    Auf der anderen Seite des Zauns ist ein weiterer kleiner Garten, fast identisch mit dem ersten, und noch ein düsteres braunes Gebäude. Raven stürmt direkt durch die Tür, die von einem Holzkeil offen gehalten wird, und wir gelangen in einen dunklen Flur voller geschlossener Türen mit Messingplaketten. Einen Moment ergreift mich Panik, dass wir wieder in den Labors gelandet sind. Aber dann kommen wir in eine düstere Eingangshalle mit mehreren künstlichen Topfpflanzen, wo diverse Schilder den Weg zu EDWARD WU, RECHTSANWALT und der AUGENHEILKUNDLICHEN GEMEINSCHAFTSPRAXIS weisen. Eine gläserne Drehtür gibt einen verschwommenen Blick auf die Straße frei – auf Menschen mit Regenschirmen, die vorbeigehen und sich gegenseitig anrempeln.
    Raven geht direkt auf die Tür zu und bleibt nur kurz stehen, um einen Rucksack hochzunehmen, den sie vorher hinter

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