Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
der Schweiß bricht mir aus allen Poren. Ich muss hier weg. Nur weg! Mit zitternden Händen krame ich in meiner Handtasche nach meinem Telefon. Ehe ich selbst recht begreife, was ich tue, habe ich Freds Nummer gewählt. Schon nach dem zweiten Klingeln meldet er sich.
»Hast du ein Auto?«, keuche ich, immer noch nach Atem ringend.
»Wer ist denn da?«
»Hier ist Franzi. Hast du ein Auto?«
»Franzi.« Er stöhnt. »Wieso fragst du?«
»Weil du mich abholen musst. Bitte?«, schiebe ich flehentlich hinterher, weil es plötzlich seltsam still in der Leitung ist.
»So langsam nervst du.«
»Ich glaube, ich habe eine Panikattacke. Holst du mich ab oder nicht?«
»Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass ich vielleicht auch ein eigenes Leben haben könnte?« Prompt beginnt mein Herz wieder zu rasen und ich hole pfeifend Luft.
»Dann … eben … nicht«, stoße ich mühsam hervor. Wen kann ich sonst anrufen? Lydia hat kein Auto, Kim kann bestimmt nicht weg. Dann muss ich eben ein Monatsgehalt für ein Taxi ausgeben.
»Halt, warte. Ist ja gut. Ich hole dich ab. Wo bist du?«
»Im Schlosshotel Fürstenhain.«
»Das kenn ich gar nicht. Wo ist das denn?«
»Bei Lüneburg.«
»Hast du ein Rad ab? Ich soll … ? Schon gut. Ich mach mich auf den Weg!«
»Danke.« Erschöpft lasse ich das Handy sinken. Meine Hände sind schweißnass, und mir ist schwindlig. Bevor die Beine unter mir wegknicken, setze ich mich in das von dem heißen Spätsommertag noch warme Gras. Alles wird gut. Fred kommt und holt mich ab. Langsam beruhigt sich mein Puls, und ich kann wieder durchatmen. Das ändert sich allerdings schlagartig, als mein Blick auf den riesigen Diamantring an meiner linken Hand fällt. Der Ringfinger ist geschwollen und irgendwie bläulich. Ich habe ja gleich gesagt, das Ding ist zu eng. In Panik zerre ich an dem Ring, wodurch sich das Fleisch an meinem unteren Fingerglied nach oben schiebt, ohne dass sich der Ring vom Fleck bewegt. Okay, ganz ruhig, Franzi! So schnell stirbt ein Finger nicht ab. Was tun? Ich lasse los, betrachte meinen bedauernswerten Finger und kann mich seltsamerweise vollständig mit ihm identifizieren. So fühle ich mich auch. Abgeschnürt, eingeengt und meiner Lebenszufuhr beraubt. Hat mich eigentlich irgendjemand gefragt, ob ich mich nach acht Wochen verloben will? Nun, sicher, das hat Nils ja eben gerade getan, aber er hat auch dafür gesorgt, dass ich keine Möglichkeit habe, Nein zu sagen. Indem er meine Familie und zwei Dutzend Komparsen dazugeholt hat. Interessiert ihn meine Meinung eigentlich? Interessiere ich ihn? Ich kenne dich besser, als du denkst, hat er gesagt. Dass ich nicht lache. Er weiß vielleicht, dass ich meinen morgendlichen Kaffee mit Karamellsirup süße und mein Croissant dann hineindippe. Dass ich am liebsten in roter Bettwäsche schlafe und regelmäßig vergesse, mich abends abzuschminken. Aber die wichtigen Dinge, die weiß er nicht. Dass ich ein mehr als schwieriges Verhältnis zu meiner Mutter und meiner Schwester habe. Dass mir Omi Anni nähersteht als sonst ein Mensch. Dass ich Austern, Kaviar und jegliches gelierte Essen verabscheue. Dass ich mich ständig grundlos entschuldige und wünschte, damit aufhören zu können. Dass ich gelernt habe, die Klappe zu halten, mir aber eigentlich wünsche, die Wahrheit zu sagen. Und dass ich letzte Woche mit einem anderen Mann geschlafen habe.
»Franzi?« Erschrocken blicke ich auf und sehe Nils auf mich zukommen. Direkt vor mir bleibt er stehen und sieht auf mich herunter. »Was machst du denn hier draußen? Wir haben uns Sorgen gemacht, als du plötzlich davongestürmt bist.« Mit wackeligen Knien erhebe ich mich.
»Ich muss mit dir reden.«
»Ja?« Irritiert sieht er mich an. »Du siehst irgendwie nicht so aus wie eine glückliche Braut.«
»Stimmt.« Ich atme tief durch. »Das bin ich auch nicht. Ich habe nämlich das Gefühl, dass du gar nicht mich meinst. Dass du einfach nur dringend den Sack zumachen willst. So wie dein Freund Thomas.«
»Sag mal, was willst du eigentlich? Andere Frauen wären außer sich vor Freude, wenn sie so einen Antrag bekommen würden.«
»Ich bin aber nicht andere Frauen. Mir geht das alles zu schnell. Und außerdem …« Ich nehme all meinen Mut zusammen und platze damit heraus, bevor ich es mir anders überlege: »Ich habe mit Fred geschlafen. Letzte Woche.« Nils wird blass, ich kann sehen, wie seine Kiefermuskeln arbeiten.
»Du hast was ?«, fragt er zwischen zusammengebissenen
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