Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
Tischen, deren Gespräche nach und nach verstummen. »Also, ich mache es jetzt kurz und schmerzlos …« Mein Herz setzt einen Moment aus. Er wird doch nicht? Doch. Er stellt sein Glas ab, schiebt seinen Stuhl noch ein Stück weiter zurück und lässt sich auf ein Knie nieder. Meine Mutter quietscht und hält sich die Hand vor den Mund. Nils nestelt an seiner Brusttasche herum und holt ein mit rotem Samt bezogenes Schmuckkästchen hervor. Ich stehe kurz vor einer Ohnmacht. »Willst du meine Frau werden?« Das Kästchen schnappt auf und enthüllt einen funkelnden Diamantring. Der Stein ist noch größer als der von Emma, ist das Erste, was ich denke. Dann sehe ich Nils in seine erwartungsvoll auf mich gerichteten Augen. Genau, er will eine Antwort. Eine Antwort. Was sage ich denn bloß? Ist der verrückt geworden? Wer macht nach acht Wochen Beziehung einen Heiratsantrag? Fred würde sich kaputtlachen. Mist. Das ist der letzte Mensch, an den ich jetzt denken sollte. Die Musik hinter mir verstummt. Totenstille senkt sich über unseren Tisch. Über den ganzen Raum. Ich kann den Druck, der auf mir liegt, körperlich spüren. Jede weitere Sekunde, die verstreicht, fühlt sich an wie Stunden. Ich muss etwas sagen. Falsch, ich muss Ja sagen. Etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig. Denn wenn ich Nein sage, ist es vorbei. So läuft das schließlich, oder? Wenn die Frage erst einmal gestellt ist, dann gibt es kein Zurück mehr. Entweder man heiratet – oder man trennt sich. Ich will mich aber nicht von Nils trennen. Oder vielleicht doch? Nach allem, was passiert ist, bin ich mir nicht mehr so sicher. Aber will ich ihn wirklich bis auf die Knochen blamieren, indem ich ihm vor versammelter Mannschaft einen Korb gebe?
»Ja«, sage ich. Kaum ist das Wort mir entschlüpft, möchte ich mir am liebsten die Zunge abbeißen. Meine Güte, Franzi, du lernst es aber auch nicht. Hier geht es nicht darum, einem Mann aus Höflichkeit seinen Mundgeruch zu verschweigen. Was ja, nebenbei gesagt, auch schon keine besonders brillante Idee von mir war. Aber einen Heiratsantrag annehmen? Um Nils’ Gefühle nicht zu verletzen? Bin ich noch bei Trost? Was ist mit meinen eigenen Gefühlen? Dummerweise ist es jetzt zu spät. Applaus, von meiner Mutter initiiert, brandet auf. Die Geiger stimmen irgendein beschwingtes Liedchen an, und Nils sieht sehr erleichtert aus, während er den Ring aus der Schatulle fummelt und ihn mir an den Finger steckt. Zumindest versucht er das. Am zweiten Gelenk bleibt er stecken.
»Oh. Ich glaube, er ist ein bisschen zu klein.«
»Nein, das geht schon.« Er schiebt kräftiger. »Er ist genau so groß wie deine anderen Ringe.« Vorwurfsvoll sieht er mich an, und ich zucke entschuldigend die Achseln. In diesem Moment rutscht der Ring endlich an seinen Platz.
»Autsch.«
»Na also.« Zufrieden betrachtet Nils sein Werk, während ich mein schmerzendes Fingergelenk reibe. »Wir können ihn aber auch ein bisschen weiter machen lassen, das ist gar kein Problem.«
»Ja, das wäre mir ganz lieb.«
Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich. »Meine Güte, eine Sekunde lang habe ich befürchtet, du könntest Nein sagen. Ich wusste ja nicht so genau, wie du reagieren würdest. Aber schließlich sind wir beide keine zwanzig mehr.« Er rappelt sich auf und setzt sich wieder auf seinen Stuhl.
»Wie meinst du das denn jetzt?«
»Na, dass man in unserem Alter nicht mehr ewig rummachen kann. Irgendwann muss man sich mal für jemanden entscheiden und dann auch dazu stehen.« Da mag er sogar recht mit haben. Aber nach acht Wochen?
»Meinst du nicht, wir sollten uns noch ein bisschen besser kennenlernen?«
»Schatz«, er lächelt mich liebevoll an und streichelt mir über die Wange, »ich kenne dich besser, als du denkst. So, ihr Lieben, bevor ihr verdurstet«, er hebt sein Glas, »trinken wir auf eure Familie. Ich freue mich, dass ich bald ein Teil von ihr sein werde.«
»Wir freuen uns auch!« Gläser klirren aneinander, die Musiker machen sich auf den Weg zurück zu ihrer Bühne und das Essen wird serviert.
»Erlauben Sie mir, Ihnen im Namen des gesamten Hotels meine allerherzlichsten Glückwünsche zur Verlobung auszusprechen. Hier der erste Gang unseres heutigen Menüs: Gelierte Consommé vom Kalb mit Gemüsebrunoise. Wohl bekomm’s!«
Kapitel 20
Panisch stürze ich durch die riesige Eingangshalle und hinaus in den Park, wo ich mich nach Luft schnappend an einen Baum lehne. Mein Hals ist wie zugeschnürt und
Weitere Kostenlose Bücher