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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Freude meines Frühjahrsputzes sind gleichwohl die Briefe. Ich unterhalte eine weite und vielfältige Korrespondenz. Gegenwärtig führe ich einen epistolaren Stellungskrieg mit Philologen und strukturalistischen Linguisten in der ganzen Welt. Es gibt da diesen Professor für melanesische Sprachen in Penang, mit dem ich seit jetzt dreißig Jahren brieflich über die Wurzel des einfachen papuanischen Wortes
redatt
diskutiere, das, wie einigen unter Ihnen bekannt sein mag, »kaum je an abendlichen Spielen teilnehmend« bedeutet. Ein nützliches Wort und eines, mit dem das papuanische Volk sich höchste Verdienste erworben hat. Als jemand, der alles andere als
redatt
ist und sich an allen möglichen Gesellschaftsspielen zu ergötzen weiß, habe ich herausgefunden, daß die Erklärung dieses Worts gegenüber den Gästen einer Feier es sehr viel unwahrscheinlicher macht, daß diese sich noch den Zerstreuungen entziehen, die ich für den Fortgang des Abends vorgesehen habe. Das ist ein wichtiger Aspekt von Sprache. Die meisten Menschen, die sich ungern an Verdauungsspielchen und -sport beteiligen, halten sich mehr oder minder abseits und erachten sich in bestürzendem Hochmut den fidelen Frivolitäten ihrer Mitmenschen überlegen. Ihnen klarzumachen, daß ihre Geringschätzung von einer Tausendevon Meilen entfernten Rasse taxiert worden ist, deren Lebensart man sich als weit weniger kultiviert als die eigene vorstellen darf, ist solchen Menschen durchaus ein Verdruß. Daß ein einfaches Volk es gewagt hat, die Abneigung gegen Gesellschaftsspiele in ein Wort zu destillieren, das ist zuviel für sie. Die Spielverderber haben also nichts Faszinierendes oder verführerisch Rätselhaftes an sich – sie sind bloß
redatt
, nehmen kaum je an abendlichen Spielen teil.
    Und so möchte ich mir zur Osterzeit ein weiteres Wort von der Seele reden. Es ist ziemlich selten, stammt aus einem alten ugrischen Tundra-Dialekt und wurde im 4. Jahrhundert von einer lappischen Ethnie gebraucht, die sich nach dem großen Herffteld-Tauwetter im Jahre des Heils 342 in der Nähe des heutigen Helsinki niederließ. Das Wort lautet
Hevelspending
, es ist ein Substantiv und bezeichnet »den tiefen Atemzug eines Menschen, der beim Morgenspaziergang zum ersten Mal nach einem langen Winter den Lenz in der Luft riecht«. Im Englischen haben wir das Wort
mugger
, das einzig und allein jemanden bezeichnet, »dessen Erwerbstätigkeit darin besteht, andere auf der Straße anzuhalten und sie unter Gewaltanwendung um ihre Habseligkeiten zu erleichtern«, und die Lappen haben eben ein Wort mit der Bedeutung »tiefer Atemzug eines Menschen, der beim Morgenspaziergang zum ersten Mal nach einem langen Winter den Lenz in der Luft riecht«.
Hevelspending
. Wissen Sie, meine Damen und Herren, manchmal – vielleicht ist es ja bloß der wilde Anarch in mir –, aber manchmal habe ich den Eindruck, daß – ach, ich weiß nicht. Ist wohl bloß der kontemplative Mystiker in mir, nehme ich an.
    Während in dem Moment, da ich jetzt zu Ihnen spreche, das helle Sonnenlicht durch die alten, getönten Scheiben meines Fensters den Frühling hereinschubst, merke ich,daß mir Tränen über das dumme, glänzende, alte Gesicht und durch die Fleischfalten laufen und vom Kinn auf die gewachste Tischplatte vor mir tropfen. Auch für diese Schwäche haben wir Worte, senile Labilität nennt man das, die Neigung, bei der Kontemplation von Abstrakta wie Frühling und Heimat und Freundschaft wie ein Kind zu flennen. Ach je, ich bin so alt und so dumm. Oberflächliche Leute reden davon, jung zu bleiben, aber sie ahnen nichts von der schrecklichen Schönheit und dem grausamen Glanz, wenn man im Herzen alt ist. Nun ja, wenn Sie haben, na sehen Sie.

Sir John Raving: Cricket & Golf
     
    Sir John Raving, Sportredakteur beim
›New Spectator‹,
meldet sich erneut zu Wort.
     
    Ich möchte, wenn ich darf, und da ich ein hübsches Sümmchen für diese Sendezeit gezahlt habe, wüßte ich nicht, warum ich nicht dürfte, Sie in der Zeit zurückversetzen, na ja, so um die vierhundert Jahre. Ich möchte, daß Sie sich zwei Schafhirten vorstellen, einer davon Engländer, den wir, da wir ja phantasievoll und interessant sind, Thomas Burgess nennen wollen. Der andere ist ein Schotte, und sein Name sei Ian MacAllister. Also, Thomas Burgess und Ian MacAllister. Schafhirten ihres Zeichens, mit schönen Herden zur Beaufsichtigung und Hunderten von Meilen zwischen sich. Beide haben sie jene seltene Gabe,

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