Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
aus schlauer, manipulativer, prüfungsbeständiger Verschlagenheit, die sie in der wirklichen, unerbittlichen und erbarmungslosen Welt an den Tag legen, die sie jenseits der nährenden Brüste der Alma mater geschaffen haben. Sind diese Leute ehrlich und fleißig, streben sie nach Wahrheit? Nein. Unsere Examina reflektieren und nähren eine Welt, die im eigenen Saft von Korruption und Verworfenheit vor sich hin schmort. Die Cleveren, Glaubhaften,Anpassungsfähigen und Fadenscheinigen sind es doch, die »vorankommen«. Daher flehe ich Sie an: Wenn Sie meinen Abscheu vor dieser pomadigen und schmierigen Welt teilen – schaffen Sie unser Prüfungssystem ab, damit oberflächliche, nutzlose und seichte Geister wie ich der Verachtung anheimfallen und gesunde Herzen und offene Köpfe wie die Ihren oder die Ihrer Kinder in Ehren gehalten werden. Solange wir zulassen, daß dieser überzeugende und vorzeigbare Müll, der das Universitätsmilieu durchzieht, es sich in einflußreichen und machtvollen Jobs gemütlich machen kann, so lange ist die Seele unserer Nation besudelt.
Wie kann es irgendwen überraschen, daß Oxbridge-Absolventen so oft hohes politisches und wirtschaftliches Ansehen erwerben? Erst durch das Bestehen der Aufnahmeprüfungen und dann durch das Überstehen der Universitäten selbst proben sie das Schummeln und Schwindeln, das man in der von ihren akademischen Vorvätern eingerichteten großen weiten Welt da draußen als Leistung versteht.
Damit werde ich jetzt meine Kollegen und Confrères in Unmut versetzt haben: Es wird, und das zu erfahren dürfte Sie kaum überraschen, im allgemeinen nicht gern gesehen, wenn einer von ihnen der Welt ihr Geheimnis enthüllt. Zu deren Glück jedoch befindet sich die Welt so sehr in ihrem Bann, daß sie kaum je Notiz nimmt oder gar Glauben schenkt.
Und nun lassen Sie mich allein, ich muß einen ganzen Stapel Hausarbeiten korrigieren. Ganz oben liegt das Schaustück eines Mannes, der es, davon bin ich überzeugt, in ein paar Jahrzehnten zum Premierminister gebracht haben wird. Hören Sie sich nur seine Einleitung an: »Schenkt man Kraus’ moralischen Schattierungen keinen Glauben, so existiert in der prästrukturalistischen Linguistik ein ethisches Vakuum: Einzig und allein das Wunschdenkender Grammatiker und die Phantasie der Philologen vermögen eine so weit aufklaffende ästhetische Lakune zu füllen.« Reiner Blödquatsch, aber offensichtlich eine Eins. Ich habe das Buch selbst geschrieben, aus dem er den ganzen Schmonzes paraphrasiert hat. Mit Schmeicheleien kommt man immer weiter. Wenn Sie haben, dann los.
Trefusis fühlt sich nicht wohl
Heute morgen muß ich vom Bett aus einem BBC-Aufnahmegerät diktieren, den Kopf voller mit unerquicklichen Flüssigkeiten als die städtischen Schwimmbäder von Cambridge. Das Wetter scheint meine alten Lungen und Bronchien auf beklagenswerteste Weise mitgenommen zu haben. Freunde sind überaus gütig gewesen, viele mit Hausmittelchen vorbeigekommen, auf die sie schworen. Ich glaube, ich darf mit Recht sagen, daß ich in dieser Woche mehr heiße Milch, Glühwein, Grog und wärmende Ptisane getrunken habe als irgendein anderer Mann meiner Gewichtsklasse im Lande. Der emeritierte Inhaber des Lehrstuhls für Moral- und Pastoraltheologie war sogar so ein Schatz, daß er mir seinen Flanellschlafanzug geliehen hat, ein Ding der Schönheit in sattestem Zinnober, damit fühle ich mich so recht nach was.
Man hat mir zu verstehen gegeben, dieses Jahr sei das Jahr des Esperanto, und sogar derart viel Esperanto-Propaganda ins Postfach gelegt, daß ich von diesem Sachverhalt überzeugt worden bin. Esperanto ist ein amüsanter Versuch, Spanisch elegant klingen zu lassen, und als Philologe, so wird allgemein angenommen, müsse ich sein erbitterter Gegner sein, ebenso der anderer im Treibhaus großgezogener Sprachen: Volapük etwa.
Sprachen sind wie Städte: Sie müssen organisch und aus gutem Grunde wachsen. Esperanto gleicht einer Trabantenstadt wie Telford oder Milton Keynes; es hat, linguistisch gesprochen, reichlich Fußwege, genügend Parkgelegenheiten, einen ausgeklügelten Verkehrsfluß und alle modernen öffentlichen Einrichtungen. Aber es hat keine historischen Stätten, keine großartigen, alles überragenden Wahrzeichen. Der Eindruck fehlt einem, daß Menschen hier aufgewachsen sind, gewohnt und gearbeitet haben, die Architektur ihren Bedürfnissen, ihrer Macht oder Andacht entsprechend geformt haben.
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