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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Spaß zu verstehen. Andere Schafhirten, ihre Freunde, sind zu dußlig, um auch nur Langeweile zu spüren. Die sind imstande, mit einem glasigen Blick in den Augen dazustehen und ihre Schafe zu betrachten, bis die schwarz werden,wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber Thomas und Ian brauchen Abwechslung, damit das Leben nicht zu öde wird. Fangen wir mit Thomas an.
    Eines Tages, eines hochsommerlichen Sonnentages auf den wogenden Hügeln von Hampshire, wo er zu Hause ist, nimmt Thomas den Lederball, mit dem Fangen zu spielen ihm schon eine müßige Stunde lang zum Trost gereicht hat, und wirft ihn Gregory zu, seinem ziemlich behämmerten Sohn. »Gregory«, sagt er, »ich stelle mich hier vor dieses Gattertor, und ich möchte, daß du mir den Ball zuwirfst.« Mit diesen Worten schlendert er zum Tor hinüber und fuchtelt mit seinem Krummstab in der Luft herum, oder Hirtenstock, oder wie man das in der Gegend nannte. Gregory schleudert seinem Vater den Ball zu. Wumm! Thomas holt mit dem Krummstock aus und schlägt herzhaft nach dem Ball, der über Gregorys Kopf wegfliegt. Gregory trottet los, um ihn zu suchen. Thomas besorgt sich unterdes etwas Stroh aus einem Ballen, glättet es und legt es oben aufs Tor. »Gut«, sagt Burgess, nachdem sein Sohn den Ball zurückgeholt hat, »versuche es ein weiteres Mal, Bursche. Versuche, das Gattertor zu treffen. Wenn du es triffst und das Stroh herabfällt, sey der Stock dein, und du stellest dich selbst vor das Tor.« Den ganzen Nachmittag lang verteidigte Burgess das Gattertor mit seinem Hirtenstab. So groß war sein Verstand und seine Geschicklichkeit beim Spiel, daß er bei Anbruch der Nacht im Pub von Hambleton mit Gregory schon darum stritt, ob es gleich viel zähle, wenn die Beine vor dem Wicket getroffen würden, wie wenn der Ball das Tor selbst träfe und die Querhölzer herabfielen, und ob der
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ein genauso eleganter Schlag sei wie der
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. Die ersten und vielleicht großartigsten Innings in der Geschichte des Crickets waren gespielt worden. Die Geburtsstunde des großen Spiels.
    Währenddessen kullerte in Schottland Ian MacAllisters Freund Angus mit seinem Hirtenstab verdrossen einen Stein über den Boden, als Ian an ihn herantrat. »Angus«, sagte er, und ein merkwürdiger Glanz trat in seine Augen, »süst du dat Karnickellock dor achtern an den Barch?« – »Wie bitte?« fragte Angus. »Siehst du das Kaninchenloch da drüben auf dem Hügel?« wiederholte Ian. »Ach so, woll«, sagte Angus. »Was ist damit?« – »Scha«, sagte Ian, »ich wette um ein Pfund mit dir, daß ich diesen Stein mit weniger Stockschlägen in das Kaninchenloch befördern kann als du.« – »Ach ja?« sagte Angus. »Ach ja!« sagte Ian. Und die Wette galt.
    Es war ein königliches Gefecht. Beim ersten Versuch verzog Angus den Kopf, lehnte seine Schulter zu weit in den Schlag und hieb den angeschnittenen Stein direkt in eine offene Grasnarbe am Hang des Hügels. »Oh, Mist!« sagte Angus. Ian erging es nicht besser, er trieb seinen Kurvball sauber in ein munteres Bächlein im toten Winkel unter ihnen. »Das kostet dich einen Schlag, um den da rauszukriegen«, entschied Angus süffisant. Nach vierundzwanzig Schlägen tippte Ian den Stein sanft ins Kaninchenloch und glaubte die Wette gewonnen. Eine bedeutungsschwangere Pause folgte. »Nie im Leben ist das der Stein, mit dem du angefangen hast«, sagte Angus. Sie einigten sich auf einen halben Punkt für jeden und fingen von vorn an, mit dem Ziel eines anderen Kaninchenlochs dreihundert Schritt weit weg. Und so zog sich der Tag hin, bis nach achtzehn Löchern wieder alles Friede, Freude, Eierkuchen war. Sie tauften ihr Spiel Golf, weil sie Schotten waren und Spaß an sinnlosen keltischen Kehllauten hatten.
    Zwei Hirten aus zwei verschiedenen Landen. Zwei Spiele mit ihren Stöcken. Und in unseren sportbegeisterten 1980ern möchte ich bloß soviel sagen. Ein Spiel ist eine tolle Sache. Golf ist ein Spiel, Cricket ist ein Spiel, Snooker, Tennis,American Football, Rugby und Fußball – sie alle sind Spiele. Auch Poker, Scrabble, Pictionary, Schach und Backgammon sind Spiele. Zwischen ihnen besteht kein prinzipieller Unterschied. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die erste Gruppe üblicherweise draußen gespielt wird und körperliche Anstrengung und Geschicklichkeit fordert, während die zweite im Sitzen gespielt werden kann und es nur auf geistige Wachheit ankommt. Sport ist hingegen eine ganz andere Sache. Eine Aschenbahn

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