Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
dessen Gang, selbst dessen krummer Rücken Jahrhunderte der Vorherrschaft des Südens verrieten, für sie muß es einfach unerträglich gewesen sein.
    Der Norden kam mir vor wie eine Restaurantküche, die noch einen alten Kohleherd und eine kalte Speisekammer hat, aber mit einer Küche zu konkurrieren versucht, die über Mikrowellengrille und Tiefkühltruhen verfügt. Eine Hufschmiede an einer Autobahn. Hier haben wir das südliche Britannien, das zeigt, wie man ein Vermögen machenkann, indem man Dienstleistungen anbietet und Geld scheffelt, und da haben wir den Norden, der immer noch
Scheffel
tischlert. Doch unser Schloß hier unten ist auf Sand gebaut, ihre schäbigen Hütten auf Granit. Ihre Verwahrlosung ist real, unser Gedeihen eine Illusion. Andererseits bestand das Ziel der Politik schon immer darin, die Phantasien im Griff zu haben.
    Was soll dieses Gelaber über Süd und Nord bloß, fragen Sie. Ich zahle schon Politiker und Journalisten dafür, daß sie nichtssagende und fadenscheinige Lügen über die Gesellschaft vom Stapel lassen, da brauch’ ich nicht noch aufgemotzte alte Monster wie dieses Sackgesicht Trefusis, die ihren Senf dazugeben. Kann sein, daß Sie recht haben, ich werde Sie also in Ruhe lassen.
    Wenn ich aus meinem Fenster schaue, sehe ich Böen die Oberfläche von Vater Cam zu kleinen Wellen kräuseln, die sich ihren Weg flußaufwärts suchen und in verschlungenen Bahnen kleine vom Wind verwehte Zweige mit sich führen, die grob vom elterlichen Baum gebrochen wurden, und ich denke, daß wir alle vielleicht nur der großen Muttereiche entrissene Ästlein sind, die auf dem Strom der Entbehrungen aufhüpfen und untertauchen, bis wir dermaleinst ans Meer der Fülle gelangen. Und dann denke ich, daß ich ein dummer alter Mann bin, der es besser wissen sollte. Wenn Sie nicht haben: gute Nacht.

Erneut Lady Madding
     
    STIMME: Stephen Fry begab sich nach Eastwold House in Norfolk, um Rosina, Lady Madding, aufzusuchen, die Grafenwitwe von Brandiston.
     
    Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, hier drinnen zu sitzen, in meinem Alter bekommt man ganz gern etwas Zug. Ich weiß, daß die Kälte den jungen Leuten entsetzlich zu schaffen macht, aber ich fürchte, ich mag sie. Das stimmt. Ja, das ist wirklich hübsch, nicht wahr. Allerdings würde ich es nicht direkt ein Kissen nennen. Meines Wissens heißen die Pekinesen. Nein, nein, das macht nichts, er war schon sehr alt – werfen Sie ihn einfach ins Feuer, ja?
    Partys? Ich verstehe einfach nicht, warum Sie über Partys sprechen möchten. Ich werde versuchen, mich für Sie zu erinnern. Ah! Sehen Sie die Aufnahme da drüben … da, auf dem Tisch, neben dem Skateboard? Noël Coward. Ich hatte nicht allzuviel Umgang mit ihm, er war ein bißchen … wir nannten es immer »ein bißchen Strachey«, das war unser Codewort. Aber ich mochte ihn, o ja, ich mochte ihn wirklich gern. Einmal waren wir in Paris, das weiß ich noch, wo mein Gatte in Kreisen der britischen Botschaft verkehrte, na ja, eigentlich verkehrte er mit dem britischen Botschafter Rupert Davenant, das taten sie ja alle. Wir gaben eine Party in unserem Haus in der Nähe des Pont Mirabeau. Noël kam, Christian Dior, Bournvita Chanel, Pablo und Rosie Casals, es waren wirklich, wie F. E. Smith bemerkte, zu viele Kerzen da und nicht genug Motten. Molotow war aus der russischen Botschaft gekommen, wissen Sie, und Eric Satie und Jean Cocteau. Jean und Molotow waren zuvor gebeten worden, das Maxim’s zu verlassen, da sie mit ihrer Edward-G.-Robinson-Imitation die Abendgäste verschreckt hatten, und ich fragte Noël, ob es ihn nicht auch wundere, daß man einen solchen Aufstand mache. »Nein, so kann man das nicht nennen, Rosina«, entgegnete er auf seine eigentümliche Weise, »sie wurden nur
hinaus komplimentiert
– bei einem Aufstand werden Molotow-Cocteaus meist
geworfen
.« Na, ich kreischte natürlich vor Lachen. Es war so witzig, wissenSie. Und ich erinnere mich an eine andere Geschichte, als ich in meinem Haus am Dereham Square eine Party gab. Queen Mary kam und Königin Dagmar von Dänemark, Noël war da und Goldsworthy Lowes Dickinson und E. M. Forster und Guy Burgess und die griechische Königin Tsatsiki. »Sehen Sie sich an, Rosina«, sagte Noël, erneut auf seine eigentümliche Weise, »die Königin der Gesellschaft in der Gesellschaft von Königinnen.« Alle brüllten, das kann ich Ihnen sagen. Ja, bedienen Sie sich nur beim Zucker … ähm, wahrscheinlich ist es leichter, wenn Sie

Weitere Kostenlose Bücher