Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
einfach Ihre Finger nehmen. Die Kohlezange ist nicht ganz sauber. Bitte? Ach das, das ist eine Aktstudie von Brian Close, dem Cricketspieler für Yorkshire und England. Ich hab’ Hunderte von Kopien, damit die Pfadfinder was zum Polieren haben, wenn sie hier ihre Ferienjobs machen.
    Mein Gatte Claude ist vor siebzehn Jahren verstorben, und Bobby trat die Titelnachfolge an. Er war erst zehn. Kit, mein zweiter Sohn, restauriert Möbel irgendwo im Londoner Osten. Ich bekomme ihn kaum je zu Gesicht. Wenn er nicht gerade einen Garderobier abhobelt oder einen Hocker nagelt oder die neueste Kommode ausprobiert, arbeitet er normalerweise an seinen Möbeln. Sie kennen ja das Sprichwort, wenn man beim ersten Mal kein Glück hat, ist man nicht der älteste Sohn. Meine Tochter Mawinda ist Schauspielerin, die haben Sie vielleicht schon mal gesehen. Sie ist das Mädchen, das immer sagt, sie könne nicht glauben, daß irgendein Pulver diesen Body ohne Kochen sauberkriegen soll. Wir sind alle sehr stolz auf sie. Obwohl ich keine Ahnung habe, was ein Body ist. Wahrscheinlich, was man früher ein Leibchen genannt hat. Aber es gab einen riesengroßen Ansturm auf die Rolle, wissen Sie. Judi Dench soll geschworen haben, sie würde Mawinda die Augen auskratzen, so eifersüchtig war sie. Schon? Gut, ich werde nach Crith läuten, der wird Sie hinausbegleiten. Siemüssen wieder einmal vorbeischauen, es ist so nett, beisammenzusitzen und sich zu erinnern. Übrigens gebe ich morgen abend zufällig eine Party, kann ich Sie nicht vielleicht überreden? Jeder muß sich als eine berühmte Persönlichkeit aus der Geschichte verkleiden. Ned Sherrin kommt als er selbst. Ach, kennen Sie Nedwin? Von dem muß ich Ihnen noch eine kleine Anekdote erzählen. Kennen Sie den Miederwarenladen in der New Bond Street, also, ich wollte da eines Nachmittags gerade reingehen, als –
     
    STIMME: Dummerweise haben wir keine Zeit mehr für Rosina, Lady Madding, und müssen zu unserem nächsten Beitrag kommen, nämlich …

Trefusis’ Postkarte aus Amerika
     
    Den Frühsommer 1986 verbrachte ich in Amerika, wo das Musical
Me and My Girl
für die Inszenierung am Broadway geprobt wurde. Trefusis schickte eine Reihe Hörpostkarten nach England:
     
    STIMME: Donald Trefusis, emeritierter Professor für Philologie und Fellow am St Matthew’s College, Cambridge, hält sich zur Zeit in Amerika auf. Er hat uns einige seiner Eindrücke von einem Land gesandt, das er zum ersten Mal besucht.
     
    Je nun, hallo Ihnen allen in der Heimat. An Sie alle zu denken, wie Sie da an Englands grünen Busen gedrückt werden, Tausende Meilen weit entfernt, während ich hier durch den zielstrebigen, kraftvollen Glas- und Betonwaldstreife, verschlägt mir die Sprache und droht meinen Verstand aus der Bahn zu kippen. Es fällt mir schwer, die Anweisungen des äußerst zuvorkommenden jungen Tonmeisters zu befolgen und in normaler, ruhiger Stimmlage zu sprechen. Für den Fall, daß ich schreie, bitte ich vorab um Entschuldigung, aber es ist sowohl die Aufregung, die mich dazu veranlaßt, als auch das Gefühl, daß Sie einen ganzen Atlantik weit weg sind.
    Wie die Leser der ›Neuen Philologischen Mitteilungen‹ unter Ihnen wissen werden, bin ich hier als Teilnehmer einer Konferenz an der New Yorker Columbia University über die Migration des vorderen Labiallauts. Ohne in die technischen Einzelheiten gehen zu wollen: sie beschäftigt sich mit dem Einfluß der spanischen Plosive auf das amerikanische Englisch, ein Feld, auf dem ich als eine Art Experte gelte.
    Da dies das erste Mal in meinem ganzen Leben ist, daß ich Cambridge verlassen habe, können Sie sich vorstellen, wie mich in den letzten Tagen eine Art Angst überkam. Kulturschock lautet, glaube ich, der hiesige Terminus technicus zur Beschreibung des gewaltigen Gefühls von geistiger Verwirrung und Abwesenheit. Ich kann mir kaum vorstellen, daß ein zweiter Planet so viele Überraschungen bereiten könnte wie diese eine nervöse, hektische Stadt.
    Das erste, was man denen erzählen muß, die dieses insulare Ballungsgebiet noch nicht besucht haben, ist, daß die Gebäude sehr hoch sind. O ja. Enorm hoch. Ganz einfach sehr, sehr hoch. Das ist nun mal so. Sie hören fast gar nicht mehr auf. Im Moment befinde ich mich im 21. Stockwerk eines Gebäudes und damit noch nicht einmal auf einem Drittel der Gesamthöhe. Wenn ich im
sechsten
Stock der Universitätsbibliothek in Cambridge persische Palimpseste der zyprianischen Dynastie

Weitere Kostenlose Bücher