Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
Vom Netzwerk:
und eine Frau war dem Einstich eines rostigen Nagels in ihre Schläfe erlegen.
    Vincent dachte ein paar Augenblicke an Daheim. Da wäre die ganze Belegschaft der Prügelei in die Notaufnahme versandt worden und jedes Muskeltrauma, jeder Verdacht auf eine Fraktur wäre untersucht und nachhaltig behandelt worden. Aber in seiner Heimat gab es auch keine Überlebensnot. In seiner Heimat gab es Frühsommerdiäten. Ha. Hier gab es Hungerkuren immer, wenn die Preise spielten, nicht nur zur Badesaison.
    Vincent ging um das Gebäude herum. Eine Ruine. Die Polizei hatte vermerkt, der Ort sei geplündert worden. Was sollte die Beute gewesen sein?
    Im hintersten Eck des zerstörten Ladens huschte etwas. Ein dunkler Schatten gesellte sich zu noch etwas Dunklem und als Vincent hinzutrat, schnellte der Schatten wieder weg. Bei näherem Hinsehen erkannte er, dass es eine völlig verdorrte, aufgerissene K artoffel war, welche sich Fliegen, Käfer, Kakerlaken und die huschende Ratte teilten.
    „Wenigstens ihr habt was gefunden“, sagte Vincent leise und verliess die verbogenen Metallstreben, die bis gestern der Quartierladen gewesen waren, den verkürzten Kreideriss der Leiche und die Blutflecken sorgsam umsteigend.
     
     
    „Da sind Sie ja“, begrüsste ihn der die Untersuchung leitentende Polizist. Er war mit seinem Wagen hinzugefahren und hatte neben Vincents geparkt. Eine gute Voraussetzung, das Ersatzrad noch einige Zeit zu behalten. Da sich das Hilfswerk eingeschalten hatte, war die Polizei vor Ort. Das aber bedeutete, dass die Benzinkosten der Ordnungshüter vom Roten Ring getragen wurden und dass ein Mitarbeiter die Ermittlung zu begleiten hatte. Vincent hatte den Polizisten bereits tags zuvor angewiesen, das Protokoll aufzunehmen und war nun vor Ort, um den Gang der Untersuchung zu begleiten. Oder zu überprüfen, doch das war eine Frage der Sichtweise.
    „Enrico Ruiz“, stellte der Polizist sich vor.
    Vincent trat auf den Mann zu und reichte ihm die Hand. Dieser mochte die Dreissig überschritten haben, setzte etwas Doppelkinn an und hatte das Haar fast rasiert. Von den Millimeter kurzen Stoppeln ging ein eigentümlicher Moschusduft aus. Das Gesetz war eitel.
    „Was ist denn mit dieser Leiche passiert, dass die Beine so verkürzt sind?“, fragte Vincent vorsichtig.
    „Äh“, schnaufte der Polizist. Er dachte nach. „Ah, das war, weil er auf der Kiste lag, die Schienbeine unten, der Bauch oben, Sie verstehen?“
    „Ich verstehe“, entgegnete Vincent. Er war erleichtert. „Was wissen Sie sonst über den Hergang von gestern Abend?“
    „Wir wissen nichts über den Hergang, die Leute, die wir vernommen haben, haben nur ausgesagt, dass es eine Schlägerei gab. Weil der Laden leer war, aber mehr konnte uns niemand sagen“, erwiderte Ruiz.
    „Wie viele Leute haben Sie denn vernommen?“fragte Vincent weiter.
    „Hm, das waren ein paar“, erwiderte das Gesetz ausweichend, während er sich in der Falte des Doppelkinns kratzte.
    „Wie viele?“ hakte Vincent nach.
    „Drei“, sagte Ruiz leise und ging zum Laden. „Haben Sie gewusst, welche Kosten der Regierung anfallen, wenn die Leute sich so gehen lassen?“
    „Waren die drei involviert, oder waren sie in sicherer Entfernung gestanden?“ beharrte Vincent, ohne auf die vorwurfsvoll gefärbte Bemerkung des Polizisten zu achten.
    „Sie können ja den Bericht anfordern und nachlesen“, meinte Ruiz. Er betrat den Laden, sah sich um, murmelte ein paar Sachen in sein Doppelkinn und stieg dann wieder an der zertrümmerten Tür vorbei nach draussen.
    „Haben Sie dann noch Fragen?“, erkundigte er sich abwehrend.
    Vincent sah ihm direkt in die Augen: „Ich hätte gerne eine Kopie des Berichts. Soll ich Sie auf das Revier begleiten, damit Sie sie mir aushändigen können?“ Er versuchte seiner Stimme soviel Gewicht zu geben, dass Ruiz nicht ausweichen könne.
    „Na gut, ich fahre voraus“, sagte dieser ausweichend.
     
     
    Das Polizeipräsidium war eine des Verputzes verlustig gehende Gebäudesammlung, winklig wie ein Kartäuserkloster und verdreckt wie ein paar Fussballschuhe. Ruiz ging voraus zu seinem Schreibtisch und suchte den Bericht hervor. Er war auf einer vorsintflutlichen Schreibmaschine getippt worden, obgleich ein Computer den Schreibtisch krönte.
    „Ich habe nur dieses Exemplar, lassen Sie uns sehen, ob der Kopierer wieder funktioniert.“
    Vincent folgte Ruiz zum Kopierer. Auf einem Zettel stand in deutlichen Lettern ‚defectuosa‘.
    „Hm“,

Weitere Kostenlose Bücher