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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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nicht wollte. Immerhin war sie froh zu sehen, wie sich ein Mann die Lust versagt, und ihr eigener Körper erwiderte es mit einem Sichfügen. Warum sollte sie ihm nicht helfen, wenn das doch auch gut war, sehr gut. Sie wusste nicht wie, aber eigentlich wurde sie viel tiefer und länger befriedigt, als wenn der Mann aufmerksam und höflich in ihr zugange war. Und wenn es so etwas gab, dann war das Schicksal nicht unabwendbar. Dann ließ sich doch eine kleine Bresche in die kompakte Mauer schlagen. Dann würde aus ihr doch eine Sängerin. Sie kannte diese Leute nicht, aber sie lernte dauernd von ihnen, machte dank ihnen neue Erfahrungen. Sie wollte ihnen gleichen. Bezog manchmal von ihnen solche unerwarteten Eingebungen, beobachtete ihre Gewohnheiten, ahmte ihr kühles Benehmen nach, und auch wenn sie nicht alles verwenden konnte, durfte sie ihnen ihre Launen nicht verübeln. Allerdings konnte sie auch niemand zwingen, sie ganz ernst zu nehmen. Denn in ihrer tiefen, geradezu religiösen Überzeugung, dass Frauen und Männer geschaffen waren, einander zu begehren und zu befriedigen, hätte sie niemand erschüttern können. Das hatte doch immerhin so seine Ordnung.
    Alles andere, was immer man auch sagen mag, war unmoralisch.
    Aber jetzt sah sie auch, sah es am seligen Lächeln des Mannes, dass der da immer nur Almosen verteilte. Auch dann, wenn er unter den langen Wimpern hervor einen mit seinen kleinen stechenden Augen ansah. Beim Anblick des angebeteten Körpers überkam sie ein Schauder des Widerwillens. Der bewahrt ja auch sein schönstes Lächeln für sich auf.
    Und als wäre nicht Ágost, sondern sie durchgedreht, kämpfte sie gegen einen unwahrscheinlichen Ekel.
    In Ágosts Gliedern erkannte sie den Körper anderer Menschen wieder. Arme, Beine und die harte Bauchdecke hatte er von seinem Vater, die Gelenke, die Form seiner Finger und auch ihre Länge von seiner Mutter. Trotz seiner kräftig gebündelten Muskeln waren doch Rundungen an ihm, an seinen Schultern, seinem Hintern, und das war das Erbe der Mutter. Die Figur einer Frau schien durch seine Muskulatur hindurch. Gyöngyvér betrachtete ihn und dachte, mein Gott, auch bisher war nicht er es, mit dem ich geschlafen habe. Er berührte mit den Fingern, den hart gewölbten Handflächen seiner Mutter die Bauchdecke seines Vaters. Gyöngyvér starrte ihn an, als wäre er jemand, der sie nichts anging, nichts angehen konnte. Während sie gleichzeitig die vertraut harten Handflächen auf ihren Brüsten zu spüren meinte. Dann hatten sich also ihre Brustwarzen selbständig gemacht, erinnerten sich an diese Hände. Doch der hat sogar mit dem alten Mann, der in die Hosen macht und den sie dann baden müssen, mehr gemeinsam, dachte sie, denn mit ihm hat er Mitleid, empfindet er Anteilnahme. Und sie verstand nicht, was sie bis vor ein paar Augenblicken an diesem fremden Menschen so hatte lieben können.
    Während er mit der einen Hand die gespannte Wölbung seines Bauchs erreichte, war die andere schon fast beim Schamhaar, in das auch Gyöngyvér gern mit den Fingern hineingewühlt hätte, trotz ihrer Befremdung. Aber die beiden Hände zögerten, gingen nicht weiter. Sie meinte den Geruch der verschmierten Scheiße zu riechen, die sie dem Alten abwaschen mussten. Der da hingegen hatte es nicht einmal nötig, nie, dass ihn irgendjemand berührte, wenigstens die Haut, seine Wärme, irgendwas. Und doch liebe ich seine Hände, dachte sie eifersüchtig. Er betrachtet sich ein wenig, berührt sich ein wenig und empfindet schon genügend Lust. Wozu würde der jemand anderen brauchen. Ágost zuckte mehrmals zusammen, die Erregung lief über seine Haut, von den Sohlen bis zum Kopf, erschütterte seine Glieder, sein Rumpf streckte sich, krümmte sich nach vorn, spannte sich nach hinten und erschlaffte plötzlich wieder. Von da an hielt er den Kopf starr in den Nacken geworfen wie ein mondsüchtiges, stumm nach Luft schnappendes Tier. Sein Gesicht verzerrte sich in der Lust nicht, wie das anderer Männer. Er blickte nirgendhin, es gab auch nichts, wohin er blicken konnte, höchstens auf sich selbst. Man hätte auch nicht sagen können, dass er vor Selbstgenuss schöner geworden war, eher wurden seine Züge durchsichtig. Und sein Lächeln strahlte noch stärker, noch herausfordernder über das Gesicht hinaus.
    Das Parkett knackte unter den Schwanendaunenpantoffeln.
    Er wollte wirklich etwas von sich zeigen, das war Absicht, aber er tat es wie jemand, fast verzweifelt, der an seine

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