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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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und die delikaten Absonderungen der an- und abschwellenden Eichel unter der Vorhaut seines unbeschnittenen Pimmels ergaben diesen hartnäckigen, durchdringenden Geruch. Er schnüffelte daran, fuhr sich damit über die Lippen.
    Dann spreizte er wieder die Finger und begann sie langsam, abgemessen zu bewegen. Es war nicht Zerstreuung, überhaupt keine zerstreute Bewegung, im Gegenteil. Er schien kultisch die Sekundenbruchteile zu ehren. Seine Aufmerksamkeit kam von ihm selbst, und doch tat nicht er es, sondern vollzog seit Urzeiten vorgegebene Bewegungen. Wie jemand, der den anderen, jetzt eben eine ahnungslose Frau, in den Kult seines Körpers einweiht, so wie er selbst von anderen eingeweiht worden war. Das hatte er nicht vergessen. Gyöngyvér begriff nur so viel davon, dass man sich nicht einmischen durfte, gar nicht konnte. So wie man auch nicht herumschwatzt, wenn das Allerheiligste vorgezeigt wird. Gerade moralisch fühlte sie sich dazu nicht berechtigt. Und überhaupt, es interessierte sie nicht mehr. Soll Ágost doch mit sich anstellen, was er will, sich den Schwanz ausreißen, wenn’s sein muss. Sie wäre gern so rasch wie möglich ins Bett gekommen, um am nächsten Morgen früh, noch vor der Gesangstunde, schwimmen gehen zu können. Und doch konnte sie den Mund nicht halten.
    Das nächste Mal mach wenigstens die verdammten Läden zu, wenn du schon so was tust, zischte sie in unbezähmbarer Wut, während sie die weiß lackierten Latten der Läden aus dem Fensterrahmen herausfaltete und sie vor Gereiztheit an ihren Platz knallte.
    Die Läden waren so wie die Hausfront, der Tordurchgang und die Wände des Treppenhauses mit den klassizistischen Profilen verziert.
    Sie hatte das Gefühl, und kam sich dabei selbst lächerlich vor, Ágost würde ihr mit seiner Schweinigelei etwas vorenthalten. Wozu war dann sie da. Und damit hatte sie auch die ungeschriebene Moral auf ihrer Seite, er tat ja etwas, das in jedem Fall jenseits des Akzeptablen war. Dennoch hätte sie sehen können, und sie sah es auch, dass er eher etwas gab als dass er nahm. Und auch die Kindergärtnerin in ihr meldete sich, die instinktiv den hilfebedürftigen, untröstlichen kleinen Jungen in ihm spürte.
    Das Schloss an den Läden klickte ein. Dass Ilona jeden Abend vergisst, bei ihnen zuzumachen. In dieser Nacht wachte Kristóf wieder einmal wegen des Klickens auf. Wenn sie nachts die Läden zumachten, wurde die Stille in den sowieso schon stummen hofseitigen Zimmern bedrohlich. In ihrem silbergrauen, glänzenden, ein wenig zwischen ihren langen Schenkeln klebenden Seidenmorgenrock, unter dem die blasslila Pantoffeln mit den Schwanendaunen nur gerade herausguckten, stand Gyöngyvér vor den plötzlich blind gewordenen Fenstern. Sie hatte den Kopf beleidigt zurückgeworfen, hätte ihn am liebsten abgewendet, trotzdem beobachtete sie die Szene scharf. Sie maß den Raum mit kühlem Blick. Die dunklen Socken vor dem Bett ließen darauf schließen, dass er dort mit dem Ausziehen begonnen hatte. Seine weiße Unterhose lag etwas weiter entfernt. Sein Hemd leuchtete auf der Lehne eines Sessels. Sie sah sich, wie sie diese verstreuten Sachen eine um die andere auflas und das Gesicht in ihnen vergrub. Die Gerüche gehörten zu den unfassbaren Dingen, die sie nicht aus Ágosts Nähe wegließen. Hätte sie das jemandem erklären müssen, hätte sie den Geruch des Mannes am ehesten mit einer leicht durchgebrannten elektrischen Leitung verglichen. Sie gab der Sehnsucht nicht nach, verstand sie auch nicht, denn eigentlich wollte sie gar nichts anderes als sehen. Sehen. Und nicht erneut gedemütigt werden. So wie sie auch nicht verstand, warum ein solcher Geruch auf sie unwiderstehlich wirkte. Alles sehen, was er absichtlich oder unabsichtlich zeigte und was sie noch nie gesehen hatte. Ihre Erfahrung mit Männern legte ihr sowieso nahe, Ruhe, einen kühlen Kopf, Demut zu bewahren. Bei solchen Gelegenheiten sind die Männer unberechenbar, oder sie schlagen gleich zu. Aber das alles war keine Richtlinie, ihre Meinung verpflichtete sie zu nichts, sie vermochte nicht wirklich bei ihren Entschlüssen zu bleiben, auch jetzt wusste sie, dass sie nicht das Richtige tat, weil sie lediglich von der Unersättlichkeit, dem Beleidigtsein und vor allem von der Eifersucht getrieben wurde, vorwärts, geh, fass ihn an.
    Während Ágost beide Hände langsam, die Haut kaum berührend, über seinen nackten Körper gleiten ließ, wobei er die Handflächen einmal nach innen, einmal

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