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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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seiner Frau, die ihn von morgens bis abends und sogar noch in den unruhigen Träumen begleiteten, ob er sich einwandfrei benahm oder etwas Unvorsichtiges tat, hielten sich, zuweilen aus unerklärlichen Gründen, nicht immer auf der gleichen Ebene, waren nicht ohne Ausbrüche und Anfälle.
    Wenn sie in die Welt hinausbrüllte, Józsika, Józsika, liefen die Leute vor dem Haus zusammen, der Arzt musste kommen, erst unter der Wirkung der Spritzen und Nerventropfen beruhigte sie sich endlich.
    Ich freue mich, Margit, antwortete er also in einem Ton, als sei er von seiner scheinbaren Gleichgültigkeit, seiner stetigen körperlichen Anwesenheit, tödlich ermüdet und würde nach irgendwelchen Gefühlsresten stochern, aus denen man doch noch etwas machen könnte.
    Du weißt doch, wie sehr ich mich auf das schöne Stück Leber freue.
    Das klang nicht sehr überzeugend.
    Natürlich freust du dich, du Unglücksmensch, wenn es doch ganz frisch gebracht wird, da stehe ich den ganzen Tag an, damit es Ihnen frisch genug ist, und dann brate ich es auch noch schön durch. Da werde ich wieder auf meinen schlechten Füßen am Herd stehen.
    Sie briet es nicht immer durch, so wie man auch nicht voraussehen konnte, wann sie ihren Gatten duzen und wann siezen würde, und Gottlieb dachte mit Schrecken an das unter dem Messer auf den Teller quellende Blut, das er jeweils unter dem Reis oder den Kartoffeln zu verstecken suchte. Um wenigstens die Schandtat nicht zu sehen, die er beging, wenn er um der Seelenruhe seiner Frau willen schweigend Blut aß.
    Wegen seiner wahnsinnigen Frau aß er wöchentlich einmal frisches Blut.
    Brat mir aber das schöne Stück Leber wirklich durch, so wie du das immer tust.
    Heute mache ich ausnahmsweise einen schönen weißen Reis dazu, davon will auch ich ein paar Körnchen essen, sagte seine Frau nachdenklich. Seit zwei Tagen habe ich nichts hinuntergebracht. Mein Magen verträgt keine Leber mehr, und wie gern würde ich doch ein schönes Stückchen Leber essen. Ein paar Körnchen Reis werde ich aber zusammen mit Ihnen picken.
    Ich sehe nicht gern zu, wie Sie die Leber ewig allein essen müssen.
    Es soll aber kein Blut darin bleiben, Margit, du weißt ja, das ist ganz wichtig.
    Er blickte nicht von seinem Buch auf, gab ihr mechanisch zu verstehen, dass er zwischen zwei geheiligten Gedanken heraussprach und für diese ganze Leberangelegenheit kaum Zeit und Aufmerksamkeit übrig hatte, obwohl ihn das Blut entsetzte.
    Du weißt ja, Margit, wie sehr ich gut durchgebratene Leber liebe, du weißt es genau.
    Es macht nicht einmal etwas, wenn sie festbrät, wenn sie angekohlt ist.
    Eine tödliche Stille entstand, das waren für die Frau der Ermahnungen schon zu viele.
    Hieß das etwa, dass sie die Leber anbrennen ließ, die Speisen verbrannte. Dass sie auf nichts achtgab, dass man nicht einmal so viel von ihr erwarten konnte, dass sie eine Leber anständig briet, und also hatte sich dieser arme Gottlieb aus Munkács eine Frau geholt, die mit den Dingen der Schöpfung nicht umzugehen verstand.
    Wieder drohte eine Krise. Sollte sie von diesem unglückseligen Mohácser einen so gemeinen Anwurf einfach einstecken.
    In dieser gespannten Atmosphäre vergaß Gottlieb endgültig, dass er wegen seines fehlenden Huts nach Hause geeilt war und Madzar auf seine drei imprägnierten Schwellenhölzer wartete.
    Er hatte eine besondere Fähigkeit entwickelt.
    Er vermochte innerhalb eines Sekundenbruchteils seine Aufmerksamkeit völlig von seiner Frau abzuwenden. Begleitet von ihrer gleichmäßig psalmodierenden, unangenehm hohen Stimme versank er wieder in seinem Text. Er schaute jeweils die Gebetsbruchstücke nach, die ihm tagsüber unwillkürlich in den Sinn kamen, während über seinem Kopf die unverständlichen Wellen ihres Singsangs angenehm zusammenschwappten.
    Auch nach so vielen Jahrzehnten traute er sich nicht zu, die Gebete auswendig zu kennen. Wie sollte er auch, man hatte ihn ja seine ganze bittere Kindheit hindurch mit Schlägen traktiert, sein Vater seligen Angedenkens hatte ihn traktiert, der Lehrer hatte ihn an den Schläfenlocken aus der Bank gezogen, seine sanfte Mutter hatte ihn kreischend verdroschen und verprügelt, weil sich die rohe Materie in seinem Kopf instinktiv weigerte, Verse aufzunehmen, deren Sinn ihm trotz allen guten Willens unfassbar und nebelhaft blieb.
    Nichts konnte er und hätte doch alles ohne Buch locker hersagen müssen. Ewige Klagen, er passe nicht auf, ja, grüble unter der Bank herum und

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