Parallelgeschichten
ein paar Tage zuvor eine scharfe berufliche Auseinandersetzung gehabt.
Der Herr Professor hat mir aber, wenn ich daran erinnern darf, eine schriftliche Erlaubnis gegeben, womit wir beide, meine ich, den Vorschriften Genüge getan haben.
Nachdem mich die Frau Professor nicht zum ersten Mal vor vollendete Tatsachen gestellt hat.
Ich habe mich doch wirklich rechtzeitig beim Herrn Professor gemeldet und meinerseits, ebenfalls schriftlich, um die Publikationserlaubnis nachgesucht.
Ja, nachdem Sie von meinem Sekretär erfahren hatten, dass ich sechsunddreißig Stunden abwesend sein würde.
Ich verlange, dass der Herr Professor diesen entwürdigenden Anwurf zurücknimmt, er ist gänzlich unbegründet.
Ich nehme an, dass die strikt fachliche Natur meiner Reise der Frau Professor auch nicht entgangen war.
Der Herr Professor beliebt etwas Vertrauliches zu erwähnen, von dem ich keine Kenntnis haben konnte.
Die Frau Professor will also nicht gewusst haben, wohin ich zusammen mit Herrn Hochschulassistent Mengele und Herrn Professor Butenandt reiste, und wie lange wir fernbleiben würden.
Wie hätte ich das wissen sollen, Herr Professor.
Genau das frage ich die Frau Professor.
Ich möchte den Herrn Professor bitten, die Zuverlässigkeit seines Sekretärs nicht auf indirektem Weg überprüfen zu wollen, und vor allem dabei nicht mit meiner Unterstützung zu rechnen, denn das wäre mir gegenüber ebenfalls ein entwürdigendes Vorgehen.
Ganz im Gegenteil, mein in jeder Hinsicht zuverlässiger Sekretär hat mich darüber orientiert, was die Frau Professor zum Zeitpunkt ihrer Meldung wusste und was nicht.
Ich sehe keinen Anlass, die Aussagen des Sekretärs des Herrn Professors zu bestärken oder in Zweifel zu ziehen.
Es liegt mir fern, die Frau Professor mit einer solchen Bitte behelligen zu wollen.
Ich meinerseits könnte mich höchstens wiederholen, möchte aber den Herrn Professor damit nicht langweilen.
Ich bin der Frau Professor für ihre Zuvorkommenheit seit jeher äußerst verbunden, darf sie aber nichtsdestotrotz darauf aufmerksam machen, dass die Institutsordnung nicht nur Formsache ist.
Ich danke für die wegweisenden Worte, der Herr Professor darf versichert sein, dass ich sie nicht vergessen werde.
Was die Fahnenabzüge Ihres Büchleins betrifft, rate ich Ihnen hingegen, und es möge ein freundschaftlicher Rat sein, Frau Professor, dass Sie rasch entschlossen den Sprung ins kalte Wasser wagen und nicht die Abzüge korrigieren, sondern den Hauptfehler, die Publikation.
Sie hielten mit den Beleidigungen nicht zurück, aber ihr dauerndes Kräftemessen bereitete ihnen auch Genuss, da keiner die Geduld dabei verlor, in diesem Sinn waren sie würdige Gegner.
Sie schlucken einmal leer, fügte der Freiherr still und starrköpfig hinzu, und ziehen diese skandalöse Publikation zurück oder zumindest Ihren Namen. Anders lässt sich die peinliche Situation nicht lösen.
Der scharfe Schlagabtausch war wie die äußerste Belastungsprobe für ihre Herkunft und Erziehung.
Allzu weit konnten sie allerdings nicht gehen, sie mussten aufpassen, denn sie hatten Einblick in die nicht ganz saubere Methodologie ihrer jeweiligen Forschungsarbeiten. Es war ein Geheimnis, das für eine Erpressung nicht verwendbar war. Das gegenüber der wissenschaftlichen Außenwelt zu wahrende Schweigen verband sie stärker als die Vornehmheit ihrer Abstammung, die sich daran maß, wie hart im Nehmen sie waren, auch wenn sie nie sicher sein konnten, ob der andere nicht als Erster das Geheimnis preisgeben würde, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Nicht in jedem Fall durften sie die Quellen ihrer Forschungsergebnisse oder die Herkunft ihrer Exponate nennen, in bestimmten Fällen mussten sie sie sogar fälschen.
Für die Weitergabe der Daten hatten sie rasch und fließend eine Geheimsprache entwickelt. Diese stillschweigende Übereinkunft betraf nicht nur die wissenschaftlichen Mitteilungen und die Forschungsdokumentation Otmar Freiherr von der Schuers und Karla Baronin von Thum zu Wolkensteins, nicht nur die Zwillings- und Augenfarbenforschung, sondern die Methode war von den verwandten Wissenschaften gewissermaßen herübergesickert und von ihnen beiden übernommen worden, und so verstand im Dahlemer Institut mehr als ein Kollege die Geheimsprache, desgleichen die entfernten Institutionen des Gesundheitswesens, die bereit waren, als Quelle der Forschungen genannt zu werden.
Wahrscheinlich war es Claus Claubergs Idee gewesen, sich für
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