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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Herbst war es schwieriger, da musste der Großvater mit dem Bauern hart kämpfen.
    Wenn das Leben in den Bäumen einschlief, kam der Bauer mit ihnen von seinem Hof, um in seinem Wald oder am Rand seiner Felder die richtige Espe, Weide, Kastanie oder Linde auszuwählen. Der Bauer versuchte natürlich den Zigeuner zu übertölpeln und tat so widerspenstig und dumm, als hätte er lange darüber nachgedacht, wie er sich selbst ein Bein stellen könnte. Was der Großvater für gut befand, um daraus vom Frühling an für den Bauern Dreschtröge, Becken, Backschaufeln, Schüsseln und Schöpflöffel fürs Fett herzustellen, das wollte der Bauer ihn niemals fällen lassen. Oder der Dummkopf verfeuerte es bis zum Frühling. Sie begannen mit den größeren Stücken, dem Trog, der Mulde, aus denen hoben sie die kleineren aus, und sie teilten alles so ein, dass am Ende nur die Hobelspäne blieben. Der Bauer brauchte die vielen Sachen, die sein Baum hergab, auch er hätte keine zwei Wochen länger ohne die Arbeit des Großvaters leben können. In diesem notwendigen und strengen Handel verbargen sich aber heftige Gier und allerlei Gereiztheit.
    Diesen Baum fällst du mir aber nicht, dreckiger Zigeuner, Himmelherrgottsakrament.
    Hatten sie sich nach vielen überflüssigen Reden endlich geeinigt, wollte der Bauer immer mehr Dinge aus seinem Baum herausgeholt haben, als in ihm steckte. Er verdrehte die Augen, belauerte sie aus der Distanz, um ja nicht übers Ohr gehauen zu werden. Oder er wollte etwas, das der alte Tuba aus diesem Baum um keinen Preis zu machen bereit war.
    So ist der Bauer, kennt Wert und Eigenschaften seines eigenen Baums nicht.
    Natürlich gab der Baum immer mehr her, als es sich der Bauer mit seinem Dickschädel vorgestellt hatte. Das durfte er nicht wissen, soll er schön zufrieden meinen, es sei ihm wieder einmal gelungen, den Zigeuner hereinzulegen. Was kann der Zigeuner dafür, dass er mehr Grütze hat als der schlaue Bauer, der immer mehr will und immer weniger bekommt.
    Diese überzähligen Gegenstände verschwanden eine Zeitlang unter der Asche oder den Spänen und kamen später auf fernen Märkten wieder zum Vorschein.
    Hätten sie einen Wagen, ein Pferd, würde noch mehr herausspringen, träumte der Großvater, den die Notwendigkeit ehrlicher gemacht hatte, als man vernünftigerweise von ihm erwarten konnte. Sie wurden versorgt, bekamen dies und jenes, Naturalien, abgelegte Kleider, aber irgendwie mussten sie ja auch zu ein bisschen Geld kommen, um den Winter zu überleben. Er wollte nicht viel herausholen, nicht mehr als ein paar Löffelchen, na gut, höchstens noch ein Schüsselchen, ein Tröglein. Der Bauer musste erst noch geboren werden, der ihm auf die Schliche kommen konnte, und falls er schon geboren war, machten sie einen Bogen um sein Haus.
    Sie sahen, hatten ja beobachtet, dass es Bauern gab, die sogar von den anderen Bauern gemieden wurden, mit so einem will auch der Zigeuner nichts zu tun haben.
    Es gab in der vertrauten Welt auch bedrohliche Wesen, sogar mächtigere als die Zigeuner, sein Großvater hatte jeden Abend von ihren Taten erzählt. Sie traten beim Feuer aus den dunklen Worten hervor. Es waren Seelen und Geister, die Feuer und Licht scheuten. Wenn die Geschichte zu Ende war, warf der Großvater noch ein paar Späne hinein, soll es rauchen, sollen es die lauernden wilden Tiere spüren, da verzogen sich auch die Geister eher zahm in die von blutigen Geheimnissen erfüllte Nacht.
    Sie konnten bald darauf hören, wie bei deren Kommen die Hunde im Dorf nacheinander aufjaulten und ihnen noch lange nachbellten, damit sie ja nicht zurückkamen.
    Der nächste Tag brachte wieder Licht.
    In jener Gegend erinnerten sich die älteren Menschen noch an ihre bös abgemagerten, zerlumpten Gestalten, wenn sie im Frühling zurückkehrten und in die schlammigen Höfe einbogen. In solchen Momenten strahlt der Bauer nur so vom vielen Fett, das er sich einen untätigen Winter lang angegessen hat. Wo der Hund wütend kläffte, blieben sie am Zaun oder an der Hecke stehen. Sie gingen nie nebeneinander, manchmal blieb der Junge zurück, manchmal trabte er vor dem Großvater her. Wenn sie beim Gehen Worte wechselten, war es ein Rufen. Und auch wenn sie nebeneinandergehen mussten, dann taten sie das nie so, als hätten sie zu wenig Platz oder müssten einander in Schach halten. Der Alte war nicht groß gewachsen, es war eher die Würde seiner Haltung, die seine Gestalt in den Augen der Bauern höher

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