Parallelgeschichten
akzeptierten. Sie besprachen es nicht einmal untereinander, dass keiner von ihnen dem Bizsók ein deutliches Nein gesagt hatte. Und wenn das schon so war, weil es eben nicht anders war, musste man halt annehmen, dass der Bizsók schon wusste, was es mit diesen Zigeunern auf sich hatte. So ganz wusste er das allerdings nie. Obwohl er nicht einmal sicher sein konnte, ob seine Ziehtochter, die Gyöngyvér Mózes, der er auf Drängen seiner Frau in der Hauptstadt vielleicht doch die Wohnung kaufen würde, nicht vielleicht auch Zigeunerin war. Die konnte so schön singen, und bestimmt wurde die von ihrem Blut zu den vielen Männern getrieben. Auch wenn sie nicht jeden mit nach Hause brachte. Sie hatten gemerkt, oder gehört, dass der Ágost Lippay nicht mehr mit ihr zusammen war, der ist irgendwo ins Ausland durchgebrannt, sondern irgend so ein Dichter, der sie auch zum Rundfunk geholt hat. Immerhin hatte Bizsók mit der Zeit gemerkt, dass jeder Zigeuner ja doch anders ist.
Mit dieser Erkenntnis wusste er allerdings nichts anzufangen.
Er hätte es eigentlich schon wissen müssen, in der Kriegsgefangenschaft waren auch Zigeuner dabei gewesen. Ob Zigeunerin oder nicht, mit dem Wohnungskauf tat er sich schwer, konnte es aber der kleinen Frau doch nicht abschlagen.
Die Zigeuner hatten Gewohnheiten, da sah er nicht durch, auch wenn er instinktiv spürte, dass Neugier fehl am Platz wäre.
Die Gyöngyvér hatten sie sonntagvormittags schon zweimal im Radio gehört, sie sang alte Volkslieder und wurde auf Originalinstrumenten begleitet. Sie bog und dehnte ihre Stimme und ließ sie so ganz edel zittern. Bizsók gefiel das gar nicht.
Schon viel besser gefiel ihm die Véra Jákó, die sang anständige ungarische Weisen.
Und dann war da der Jakab, den die anderen aus irgendeinem Grund kahl geschoren hatten.
Bizsók hatte gehört, was sie trieben, dass das Ringelhaar des Jungen futsch war, aber er hatte sich nicht eingemischt.
Die sind jung, die machen halt ihren Unsinn.
Als der mächtige Tuba zu ihnen gestoßen war, hatten sie auf Bizsóks Anweisung in der großen Hitze die beiden Wagen im Schatten eines einsamen Baumriesen aufgestellt. Tuba war gerade aus der Armee entlassen worden, zusammen mit seinem Kameraden, der ihn begleitete, auch der ein wohlgewachsener Bursche, und bestimmt kein Zigeuner.
Er habe zuvor noch nirgendwo eine Anstellung gehabt.
Was ihnen allen doch ziemlichen Eindruck machte. Bizsók erinnerte sich nicht gern daran.
Und wie dieser ruhige Junge, dieser János Tuba, in eine komische Aufregung geraten war, als er vor den anderen sagte, in solche Bäume schlägt aber leicht der Blitz ein. Nicht mit dem Widerspruch, sondern mit seiner Aufregung verletzte er Bizsóks Ansehen. Wenn sie einen solchen Baum nicht mieden, würde sie auch der Donnerkeil nicht meiden. Er wandte seinen dunklen Blick ab, von ihnen allen und auch vom Baumriesen. Lief mit gesenktem Kopf herum, als würde sich sofort ereignen, was dann zwei Tage später passierte.
Gemeinsam sprachen sie nie über dieses Ereignis, weder unmittelbar danach noch später. Bizsók konnte aber den jahrhundertealten Baumriesen, der sich vor ihren Augen spaltete, nicht vergessen. Wie der Blitz mit einem ungeheuren Knall herunterfährt und die Flamme, von lebendigen Säften zischend, winselnd hochschießt, in den tobenden dunklen Himmel.
Wer wusste von Tuba schon, woran er sich erinnerte, was er vergaß oder was seine Gedanken waren.
Dieser Mensch bezauberte mit seinem Wuchs und seinem Benehmen, aber noch mehr mit seiner Schönheit.
Seltsamerweise bewahrten alle tiefes Schweigen über das, was ja jeder mit beiden Augen sehen konnte. War vielleicht auch besser so. Die Schönheit ist nicht etwas, worüber sich zu reden lohnt. Bizsók stand im Ruf eines gerechtigkeitsliebenden, fairen Menschen. Wieso hätte der sich mit dem Äußeren eines anderen Mannes beschäftigen sollen. Soll einfach jeder seine Arbeit recht machen. Viele glaubten geradewegs, Bizsók sei in einer der Tiefebene-Sekten, bei den Zeugen Jehovas oder den Wiedertäufern. Man sagte, diese müssen um Mitternacht splitternackt in die Tisza oder die Túr eintauchen, und die anderen würden mit Pechfackeln dazu leuchten. Der gute Ruf hat natürlich einen verbindlichen Aspekt, der auch dann funktioniert, wenn jemand nicht im Entferntesten daran denkt, gerecht zu sein, oder wenn die Fairness zufällig gegen seine persönlichen Interessen geht.
Bizsók behandelte andere Menschen ungewohnt
Weitere Kostenlose Bücher