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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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rücksichtsvoll, und so zählten seine Leute nicht nur darauf, sondern hätten ihm Rücksichtslosigkeit gar nicht gestattet.
    Es hieß von denen auch, dass sie diese unerhörte Schweinerei in der Tisza oder der Túr gemeinsam machten, Frauen und Männer zusammen. Auch junge Mädchen seien dabei.
    Auch die dürfen die Eier des Großvaters bewundern.
    Aber wie auch immer, was auch immer sie redeten, er wusste schon, dass sich niemand so wie er auf alte Maschinen und Motoren verstand. Höchstens, dass jemand genauso viel wusste wie er. Aber da er überhaupt kein Bedürfnis hatte aufzuschneiden, versteckte er sein Wissen eher schamhaft. War er in seiner Arbeit versunken und hatten sich auch alle Stimmen entfernt, ertappte er sich in der angenehmen Benommenheit der Arbeit häufig dabei, dass er auf den Händen oder im Nacken den strengen Blick seines Vaters spürte. Bis zum heutigen Tag machte er alles so, wie er es von ihm gelernt, ihm abgeguckt hatte. Er konnte vor ihm nicht einmal neue Handgriffe verbergen, die er mit seinem eigenen gesunden Menschenverstand entwickelt hatte. Diese Methoden musste er gewissermaßen gegen den väterlichen Blick einführen.
    Oder er fühlte gar nichts dergleichen, sondern der Hals begann ihm plötzlich zu jucken, und er musste sich umdrehen.
    Solche Augenblicke wurden noch seltsamer, wenn ihn ein lebendiger Mensch beobachtete.
    In Tubas großen Augen, die ihn stumm beobachteten, entdeckte er seinen eigenen hungrigen Kinderblick. Worüber er sich in den unangenehmen und zuverlässigen Vater zurückverwandelte, den ewigen Meister, der seinen Sohn unterweist. Mit seinen eigenen Söhnen hatte er sich nie so viel beschäftigt wie mit Tuba. Und auch wenn er die Ziehtochter um keinen Preis auf seinen Namen adoptiert und die Wohnung lieber nur zur Hälfte bezahlt hätte, mehr nicht, hatte er sie doch lieber als die Jungen. Man will ja keine Leidenschaft und muss auf der Hut sein, dass sie einen nicht überrumpelt.
    In allem, was große Körperkraft, Erfindungsgeist oder rasche Auffassungsgabe erforderte, war dieser junge Mann besser.
    Feuermachen im Freien, das konnte zum Beispiel niemand geschickter als er. Es konnte Wind wehen, es konnte regnen, das Holz konnte nass sein, sein Feuer brannte trotzdem sauber, ohne Rauch. Er wusste, welcher Wind Regen bringt, wie die Schatten fallen, was der Vogelflug bedeutet, welcher Brunnen abgestandenes Wasser hat und was man notfalls woraus herstellen kann.
    Er fand mit Fremden einen vertraulichen Ton, obwohl doch jedermann zum Zigeuner und zum Juden lieber auf Distanz ging.
    Kaum waren sie an einem neuen Ort angelangt, kippte er aus seiner Mütze Pilze, Walderdbeeren, Taubeneier vor sie hin.
    Bizsók achtete nur darauf, dass niemand sah, wie sehr ihn das rührte.
    An stillen Abenden, wenn sie lange Augenblicke stumm in die schwelenden Flammen des erlöschenden Feuers starrten, während sich über ihnen die mächtige Nacht mit ihren Sternen ausbreitete, und sie dann stöhnend, gähnend, mit den steifen Gliedern knackend schlafen gingen, schloss Bizsók die Tür seines Wohnwagens in letzter Zeit mit einem Gefühl hinter sich ab, als hätte er etwas Wichtiges nicht erledigt.
    Vielleicht, weil er in seiner Familie schon fast alles geordnet hatte.
    Die Wärme und das Licht des Feuers nährten bei ihnen ein Gefühl von Nähe, aber sie spürten es erst, wenn das Feuer ausgegangen war und es dunkel und kühl wurde, und es fehlte.
    Weder hier noch anderswo hatten sie ein Zuhause.
    Während es im anderen Wohnwagen von Füßen und Zusammenstößen dumpf polterte und das viele Gekrame und Gemurmel nicht aufhören wollten, durfte Bizsók befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass die Zigeuner zu wenig Platz hatten. Seine Befriedigung hatte mit seiner Privilegiertheit zu tun, es gibt wohl keinen noch so gerechtigkeitsliebenden Menschen, der Privilegien nicht als schmeichelhaft empfinden würde.
    Für ein bisschen besser als die anderen musste er sich ja doch halten.
    Zu diesem Zweck hielt er sich einmal für besonders, weil er ihr Werkmeister und Maschinenmeister war, dann wieder, weil er älter war, dann wieder, weil er Ungar war, und dann wieder, weil er zum guten Glück nicht katholisch war.
    Sie alle hier waren einsam, so sehr, dass sie sich gar nicht mehr daran hätten gewöhnen können, ihre Einsamkeit mit jemandem zu teilen. Immerhin hatten sie sich daran gewöhnt, dass sie mit ihrer Einsamkeit an die Einsamkeit eines anderen Menschen rührten. Mit den Jahren begann

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