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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Idee.«
    »Bitte, lass mich diese Bemerkung nicht ignorieren müssen.«
    »Schon gut, schon gut. Mein Fehler.«
    »Na also.«
    »Das meine ich aber auch. Pissnelke.«
    »Halt die Klappe.«
    »Ach, halt du die Klappe.«
    »Dir ist schon klar, dass unser Flieger in weniger als sieben Stunden geht, oder?« Ich führe eine Hand zur Stirn.
    »Klar, schaff ich locker. Wer braucht Schlaf. Wird allgemein viel zu hoch gehandelt. Lass uns morgen quatschen. 7 Uhr 30, Terminal 2, see you!«, pseudoflüstert er und macht eine Drehung auf den polierten Bodenfliesen. Er knallt die Tür zu. Ich lächle zaghaft, obwohl schon für niemanden mehr. Ben ist mein natürliches Gegenteil. Und ich bewundere ihn dafür.
    Ohne mich zu rühren, starre ich ins Leere. Schläfenpochen rechts. Sitze da. Fünf Minuten. Zehn. Fünfzehn. Alles ist in Ordnung. Mein Gesicht ist schweißbedeckt.
    Ich schlucke erst morgen wieder.

06
    Der Tag darauf. Donnerstag. Wien, etwas außerhalb. Ein postmoderner, monumentaler Glaskasten. Firmenzentrale Air Linus International, eine weltweit operierenden Fluglinie, deren Bilanzen und Kalkulationen die letzten drei Jahre gehörig ins Trudeln geraten sind.
    Auftragsvolumen: ein paar Millionen Euro. Wie viel genau hängt davon ab, wie viel man ihnen aus dem Kreuz zu leiern im Stande ist. Um einen solchen Job an Land zu ziehen, ist ein bestimmter Persönlichkeitstypus erforderlich. So einer wie ich.
    Schlag 11 Uhr. Ein Sitzungssaal mit hellgrau gerahmten Glaswänden und einer stark hallenden Akustik, die jedes Wort in Rufen verwandelt und jedes Murmeln in undefinierbares Dröhnen. Ich mache eine überflüssige Geste zu einem Stuhl, ob ich mich setzen darf. Nehme Platz. Beginn des Meetings.
    Mir gegenüber sitzen die vier Geschäftsführer der Airline, zwei Assistenten und ein Schriftführer. Alle gestriegelt, ihre Haare zu lächerlicher Vollkommenheit gekämmt. Ich sehe, wie sich hinter ihnen ganz Wien ausbreitet. Ein Sturm zieht auf.
    »Sind wir dann so weit?«, fragt der Anführer unter den Anführern mit leicht unterkühlter Höflichkeit. So ein drahtiger Fiesling mit leuchtend blauen Augen (A-Mensch), und schaut seine Mannschaft (bunt gemischt, B bis D) dabei nicht an.
    Ich bin allein. Man stelle sich vor. Ich sitze neben fünf leeren Stühlen zu jeder Seite. Ben ist so krank, dass er den Flug beinahe nicht überstanden hätte. Krank über Nacht! Es sind immer die Nächte.
    Im Taxi hat er mich vollgehustet. Ich habe ihn zum Arzt geschickt. Unser Millionärssöhnchen. Aber vor wenigen Stunden noch die Verkäuferin gevögelt. Wenn der mir hier rumschleimt und fieberschwitzt, macht das einen suboptimalen Eindruck. Nicht, dass er mir noch was vermasselt.
    Normalerweise tauchen wir bei Erstgesprächen immer zu viert auf. Rollkommando. Aber das Geschäft blüht. Unsere Firma floriert momentan derart, dass keine weiteren Teamassistenten und Berater für hier und heute abkömmlich waren. Das ist in Anbetracht der Bedeutung dieses Auftrags eigentlich indiskutabel. Lutz & Wendelen kriegen eben den Hals nicht voll. Aber dass ich jetzt auch noch auf Ben verzichten muss … nun, ich werde das Kind schon schaukeln. Geht auch so. Unser rudelweises Auftreten ist sowieso nur Muskelspiel, Protzerei, nicht mehr, und bei diesen Präsentationen rede ohnedies ich, die tonangebende Allzweckwaffe, und sonst niemand aus meiner jeweiligen Mannschaft. Mit Charme und den derzeit angesagten Worthülsen versuche ich, die Unternehmensleitung davon zu überzeugen, dass wir die richtige Consultingfirma sind, um ihren müden Laden wieder auf Vordermann zu bringen. Etwas, zu dem ihre eigene, spezifischer qualifizierte Geschäftsführung wohl nicht in der Lage ist. Gut für uns.
Uns
! Manchmal denke ich in der Wir-Form. Wie ärmlich.
    Ich rücke meinen Stuhl zurecht und gieße mir ein Perrier ein. Dabei nehme ich das von zahllosen Reinigungszetteln durchlöcherte Jackett-Revers des Protokollheinis an der Tischaußenseite wahr.
    Ich bin die Ruhe selbst. Vertrautes Terrain.
    Ich werde den Kunden in spe davon überzeugen, dass er Millionen in unsere Beraterleistungen stecken muss. Dies ist ein Verkaufsgespräch auf höherem finanziellen Niveau, nichts weiter.
    Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Zeit loszulegen. Räuspern. Kurz erkläre ich, weshalb ich allein auftauche, ist denen egal, scheint mir. Also dann.
    Ich spule das Programm ab. Anhand des vorab erarbeiteten Konzepts steige ich in das Gespräch ein. A. L. I.s Margen sind durch die

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