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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Neupositionierung mehrerer direkter Konkurrentenin Bedrängnis geraten. Bereits seit eineinhalb Jahren befinden sie sich auf dem absteigenden Ast und schreiben nur noch rote Zahlen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Firmen, die ins Hintertreffen geraten, zu einer übersteigerten Erwartungshaltung uns gegenüber tendieren. Eine unumstößliche Tatsache. Deshalb immer dick auftragen! Ich habe es hier mit einem Haufen chronischer Neinsager zu tun.
    Doch bevor ich auf Reorganisation, Effektivitätsvergleich der Belegschaft und Empowerment zu sprechen komme, frage ich zunächst danach, was sich die Herren an Änderungen vorstellen, was sie sich erwarten. Ein Blick in die Runde. Ich höre. Sie reden nur profilneurotischen Blödsinn. Die meisten Probleme sind auf mangelndes Vermögen des Managements zurückzuführen, auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Das ist generell so, überall. Das werde ich aber tunlichst nicht verlautbaren lassen. Die meisten leitenden Führungskräfte schieben die Verantwortung für eine Schieflage ihres Unternehmens auf das IT-System, logistische Strukturen, die Belegschaft und so weiter. Also gehe ich in der Regel darauf ein. Das Management erzählt mir, was es glaubt, das in seinem Unternehmen falsch laufe – und wir schlagen diesbezüglich Lösungsansätze vor. Reine Psychologie. Unsere Organisationskonzepte werden sich ausschließlich nach den Wunschvorstellungen dieser verzogenen und kindlich eitlen Firmenchefs richten – und nicht nach dem tatsächlich notwendigen Änderungsbedarf zum Wohl der Organisation. Eine Consulting Company zu beauftragen ist, wie eine Wahrsager-Hotline anzurufen. Man konsultiert jemanden, der einem nach dem Mund redet. Wir servieren ihnen ein suggestiv zugeschnittenes Ergebnis. Ich werde sie regelmäßig in unsere Arbeit mit einbeziehen, sie bauchpinseln und eigene Vorschläge einbringen lassen. Denn man muss ihnen auf jeden Fall das Gefühl geben, dass sie in irgendeiner Form an dem Prozess mitwirken. Auf diese Weise können sieunsere Arbeit am Ende schlecht zurückweisen, da sie ja auf unserem gemeinsamen Mist gewachsen ist. Keinen dieser überbezahlten CEOs interessiert die Wahrheit, nämlich, dass sie keine Ahnung haben, was in ihrem eigenen Laden schiefläuft. Ihre einzige Kompetenz besteht darin, Kompetenz vorzuspiegeln. Sie sind nichts weiter als
Kompetenz darsteller
.
    Ich simuliere also Übereinstimmung mit ihren Worthülsen, habe nichts anderes erwartet, sage ab und an »Aha« und sehe nach, ob noch genug Wasser im Glas ist. Der fast krankhaft uncharismatische CEO links von der Mitte, der nicht zu wissen scheint, dass er kahl ist, beendet seinen Exkurs und bittet mich, mit meiner Konzeptdarlegung fortzufahren. Aus irgendeiner Ecke krame ich ein Lächeln. Na endlich. Wäre gerade vor Langeweile beinahe ins Koma gefallen. Also erzähle ich ihnen etwas von Konzepten und Wettbewerbsvorteilen, Wertinnovation und Zielstrategien, Performancesteigerung und Verbesserung der Ablaufprozesse und Kapazitätssteigerung. Dass wir von Lutz & Wendelen für all das sorgen werden, mit unseren Ideen zur Optimierung das Potential des Unternehmens voll ausschöpfen können. Ich angliziere den Kunden förmlich an die Wand: Downsizing, Rightsizing, Process Reengineering, Result Implementation & Generation, Benchmarking, Activity Based Organisation, Bullshit. Und keine Sorge, das kann ich auch auf Deutsch. Dem irrelevanten Einwand eines der Musketiere mir gegenüber (»Aber wie planen Sie, den Verlusten im Auslandsgeschäft zu begegnen?« Gute Frage!) entgegne ich, indem ich Begriffe fallenlasse, wie Logistik- und Renditeoptimierung, Verbesserung der Humanressourcen, Gemeinkostenwertanalyse, operative Wertschöpfung, strategische Neuausrichtung, Rentabilitätssteigerung, Bullenscheiße. Bitte schön. So läuft das in der Regel. Vermeintliche Patentlösungen, Dinge, die sie hören wollen. Zack, wusch, bumm. Selbstverständliches unnötig kompliziert ausgedrückt. Es ist immer dasselbe: Alle unsereKunden haben beinahe identischen Beratungsbedarf. Das bedeutet: Die grundsätzlichen Elemente, um Ordnung in ein unordentliches Unternehmen zu bringen, sind bereits längst irgendwo in Form von Konzepten oder Datenverarbeitungssystemen eines anderen Unternehmens vorhanden. Man müsste diese folglich eigentlich nur an die individuellen Bedürfnisse anpassen, modifizieren. Aber davon hätten wir nicht den erwünschten finanziellen Nutzen. Wir Berater werden schließlich nach Aufwand, Stunden und

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