Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
Stimmung auf grausame Weise.
Wir tauschten noch einen verliebten Blick. Ich ließ das Handy noch zweimal schrillen, ehe ich endlich zur Handtasche griff und den Apparat herausholte.
Ich meldete mich.
Es war die Redaktion. Evelyn Sounders hatte dort angerufen.
In der Galerie Sounders & McInnerty war etwas Furchtbares geschehen...
*
Es mussten Hunderte von Kerzen sein, die das vollkommen gegen das Tageslicht abgedunkelte Atelier Allan Brennans mit einem weichen, flackernden Licht erfüllten.
Brennan stand vor seiner Staffelei und ließ mit hektischen Bewegungen den farbgetränkten Pinsel über die Leinwand fahren. In seinen Augen glänzte es fiebrig. Ein starrer Zug zeichnete sein Gesicht.
Noch nie hatte Rovenna ihren Bruder bei der Arbeit zu stören gewagt. Das Atelier war immer sein privates Reich gewesen, dass sie nur in Notfällen zu betreten gewagt hatte.
Ein Reich der Dunkelheit und des Kerzenscheins...
Nur Kerzenlicht duldete der Meister bei der Arbeit. Denn nur dieses würde die Farben so erscheinen lassen, wie Allan Brennan sie sehen wollte...
Rovenna hatte mehrmals geklopft, aber Allan war derartig in seine Arbeit vertieft gewesen, dass er sie nicht gehört hatte. Die junge Frau kannte das.
Es war durchaus normal, dass ihr Bruder in einen rauschhaften, fast tranceartigen Zustand verfiel, in dem er dann ein Gemälde nach dem anderen auf die Leinwand brachte, bis er schließlich völlig erschöpft war.
Rovenna öffnete vorsichtig die Tür zum Atelier. Sie knarrte etwas, aber das hörte der Maler ebenso wenig, wie er ihr Klopfen registriert hatte.
"Allan", sagte sie, doch auch darauf reagierte er nicht.
Pinselstrich um Pinselstrich brachte er auf die grundierte Fläche auf. Die geradezu fieberhafte Eile, die er dabei an den Tag legte, wirkte so, als glaubte er, nicht mehr genug Zeit zu haben, um all das, was ihm an Bildern im Kopf umherschwirrte, auf die Leinwand zu bringen.
Er arbeitet wie ein Besessener!, ging es Rovenna durch den Kopf. Ein eisiger Schauder überlief sie bei dem Anblick ihres Bruders. Besessen - dieses Wort trifft es genauer, als viele glauben, die in ihm nur einen verschrobenen Künstler sehen...
Rovenna ging in den Raum hinein, ließ den Blick über ein halbes Dutzend verzerrter Dämonengesichter kreisen, die als fertige Gemälde dastanden. Der Kerzenschein ließ diese fratzenhaften, zur Hälfte tierischen Gesichter noch gespenstischer erscheinen. Die Tür fiel ins Schloss. Rovenna trat an ihren Bruder heran und berührte ihn leicht an der Schulter.
Er wirbelte herum, sah sie mit einem entsetzten Gesichtsausdruck an, sagte aber nichts.
"Entschuldige, Allan... Ich wollte dich nicht aus deiner Welt herausreißen..."
"Rovenna!", stieß er schließlich nach einer Pause hervor. Er atmete tief durch. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
Er ist vollkommen erschöpft!, dachte die junge Frau mit Besorgnis. Wenn er so weitermacht, wird er sich völlig zu Grunde richten...
"Wir müssen miteinander reden, Allan!", sagte sie dann drängend.
"Nicht jetzt, Rovenna... Nicht jetzt..."
Er legte die Farbpalette und den Pinsel auf einen groben, hölzernen Tisch. Ein in Leinen gebundenes Buch mit einer Aufschrift aus goldenen Lettern lag dort.
Das LIBRUM HEXAVIRATUM!, durchzuckte es Rovenna. Hat damit das Verhängnis begonnen? Ich weiß es nicht...
"Es kann so nicht weitergehen", sagte Rovenna entschieden.
"Oder willst du, dass es noch weitere Tote gibt..."
"Wer sagt, dass wir dafür verantwortlich sind.."
"Allan!"
"Lass dich nicht durch Zweifel verunsichern! Ich weiß, dass ich es schaffe! Ich weiß es einfach..."
"Und wenn nicht? Allan, komm zu dir!"
Sie fasste ihn bei den Schultern. Er blickte förmlich durch sie hindurch.
"Ich kann nicht anders", murmelte er. "Diese Dämonen...
Sie sind hier drin!" Er ballte die Faust und berührte damit die Stirn. Dabei schloss er die Augen.
Rovenna ging an den Tisch. Mit der Hand berührte sie leicht den Leineneinband des LIBRUM HEXAVIRATUM. "Alles hat damit angefangen, dass du einen Blick in dieses verfluchte Buch geworfen hast, Allan..."
"Nein, das ist nicht wahr", wiedersprach Allan Brennan.
"Die Kräfte, die in uns beiden wirksam sind, waren schon viel früher vorhanden... Und du weißt es!"
*
Als wir die Galerie Sounders & McInnerty erreichten, goss es wie aus Eimern. Mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei verstellten die Zufahrt und so mussten wir den Volvo in einer Nebenstraße abstellen. Die Haare klebten
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