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Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Amerika war keine Sekunde von Europa entfernt, und in einem feierlichen Versuch, der 1903 in London durchgeführt worden war, korrespondierten zwei Experimentatoren miteinander, nachdem sie ihre Nachricht rund um die Erdkugel gesandt hatten.
    Es ist leicht zu verstehen, daß in diesem Zeitalter der Geschäfte der Papierverbrauch in unerwartete Dimensionen gestiegen war; Frankreich, das hundert Jahre zuvor sechzig Millionen Kilogramm Papier produziert hatte, verbrauchte nun mehr als dreihundert Millionen Kilogramm; man fürchtete übrigens nicht mehr, daß es eines Tages an Lumpen mangeln könnte, sie waren auf vorteilhafte Art durch Alfagras, Aloe, Topinambur, Lupine und zwanzig andere billige Pflanzen ersetzt worden; in zwölf Stunden machten die Verfahren von Watt und Burgess ein Stück Holz zu wunderbarem Papier; die Wälder dienten nicht mehr zum Heizen, sondern zum Drucken.
    Das Haus Casmodage führte als eines der ersten dieses Papier aus Holz ein; wenn man es für Wechsel, Geldscheine oder Aktien verwendete, wurde es mit der Gallussäure von Lemfelder behandelt, die es gegen die chemischen Wirkstoffe der Fälscher resistent machte; da sich die Diebe genausoschnell vermehrten wie die Geschäfte, mußte man auf der Hut sein.
    Dergestalt also war das Haus, in dem Riesengeschäfte über die Bühne gingen. Der junge Dufrénoy hatte in ihm die kleinste Rolle zu spielen; er sollte der erste Bediener einer Rechenmaschine sein und trat noch am selben Tag sein Amt an.
    Diese mechanische Tätigkeit bereitete ihm große Schwierigkeiten; es fehlte ihm an Eifer, und der Apparat funktionierte unter seinen Fingern ziemlich schlecht; was er auch anstellte, einen Monat nachdem er die Arbeit aufgenommen hatte, machte er mehr Fehler als am ersten Tag, und das, obwohl sie ihn an den Rand des Wahnsinns trieb.
    Außerdem wurde er streng gehalten, weil man das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und die Instinkte des Künstlers in ihm brechen wollte; nicht einen Sonntag, nicht einen Abend konnte er seinem Onkel widmen, und sein einziger Trost bestand darin, ihm heimlich zu schreiben.
    Bald jedoch wurde er von Mutlosigkeit und Widerwillen erfaßt; er war nicht imstande, diese Hilfsarbeitertätigkeit noch länger auszuführen.
    Ende November fand ein Gespräch zwischen Herrn Casmodage, Boutardin Sohn und dem Kassenverwalter statt:
    »Dieser Bursche ist entschieden unintelligent«, sagte der Bankier.
    »Die Wahrheit zwingt mich, dem zuzustimmen«, antwortete der Kassenverwalter.
    »Er ist das, was man früher als Künstler bezeichnete«, fuhr Athanase fort, »und was wir heutzutage einen Verrückten nennen.«
    »Die Maschine wird in seinen Händen zu einem gefährlichen Instrument«, antwortete der Bankier; »er unterbreitet uns Additionen anstelle von Subtraktionen, und er hat es noch nie geschafft, uns eine Zinsrechnung zu bloß fünfzehn Prozent vorzulegen!«
    »Das ist jämmerlich«, sagte der Cousin.
    »Aber wo sollen wir ihn denn einsetzen?« sprach der Kassenverwalter weiter.
    »Kann er lesen?« fragte Monsieur Casmodage.
    »Vermutlich ja«, antwortete Athanase mit leichtem Zweifel in der Stimme.
    »Wir könnten ihn beim Großen Hauptbuch einsetzen; er soll Quinsonnas diktieren, der nach einem Gehilfen verlangt.«
    »Sie haben recht«, erwiderte der Cousin; »diktieren, das ist wohl das einzige, wozu er fähig ist, denn er hat eine gräßliche Schrift.«
    »Und das zu einer Zeit, in der jedermann schön schreibt«, fügte der Kassenverwalter hinzu.
    »Wenn ihm bei dieser neuen Arbeit kein Erfolg beschert ist«, sagte Monsieur Casmodage, »dann taugt er nur noch zum Ausfegen der Büros!«
    »Und sogar dazu …«, meinte der Cousin.
    »Er soll kommen«, sagte der Bankier.
    Michel erschien vor dem furchterregenden Triumvirat.
    »Monsieur Dufrénoy«, sagte der Chef des Hauses und ließ sein geringschätzigstes Lächeln um die Lippen spielen, »Ihre allseits bekannte Unfähigkeit zwingt uns, Ihnen die Betreuung der Maschine Nr. 4 zu entziehen; die Ergebnisse, zu denen Sie kommen, sind ein beständiger Grund für Fehler in unserer Buchhaltung; so kann es nicht weitergehen.«
    »Ich bedaure, Monsieur …«, antwortete Michel kühl.
    »Ihr Bedauern ist zwecklos«, erwiderte gestreng der Bankier; »Sie sind von nun an dem Großen Hauptbuch zugeteilt. Man versichert mir, daß Sie lesen können. Sie werden diktieren.«
    Michel gab keine Antwort. Was machte es ihm schon aus! Das Große Hauptbuch oder die Maschine! Eins war genauso gut wie das

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