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Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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andere! Er zog sich also zurück, nachdem er gefragt hatte, wann er seine neue Stellung antreten würde!
    »Morgen«, antwortete ihm Athanase; »Monsieur Quinsonnas wird davon in Kenntnis gesetzt.«
    Der junge Mann verließ die Büroräume und dachte weniger an seine neue Arbeit, als vielmehr an diesen Quinsonnas, dessen Name ihm Furcht einflößte! Was mochte das für ein Mensch sein? Irgendein über dem Abschreiben der Paragraphen des Großen Hauptbuches gealtertes Wesen, das seit sechzig Jahren Kontokorrente abrechnete, dem Fieber des Saldos und der Raserei des Stornos anheimgefallen! Michel wunderte sich nur, daß der Buchhalter noch nicht durch eine Maschine ersetzt worden war.
    Zumindest empfand er aufrichtige Freude, seinen Rechenapparat zu verlassen; er war stolz darauf, ihn schlecht betreut zu haben; diese Maschine sah fälschlicherweise wie ein Klavier aus, und das stieß ihn ab.
    Eingeschlossen im Zimmer und mit seinen Überlegungen beschäftigt, sah Michel schnell die Nacht hereinbrechen; er ging zu Bett, doch er konnte nicht schlafen; eine Art Alptraum bemächtigte sich seines Gehirns. Das Große Hauptbuch erschien ihm in phantastischer Größe; bald fühlte er sich zwischen den weißen Seiten zusammengepreßt wie die getrockneten Pflanzen eines Herbariums, dann wieder gefangengehalten unter dem Rücken des Einbandes, der ihn unter seinen Kupferbeschlägen zerquetschte.
    Aufgewühlt fuhr er hoch, von dem unbezwingbaren Verlangen besessen, dieses Wunderding in Augenschein zu nehmen.
    »Das sind Kindereien«, sagte er sich, »aber dann weiß ich wenigstens, woran ich bin.«
    Er sprang aus dem Bett, öffnete die Zimmertür und wagte sich tastend und stolpernd, mit ausgestreckten Armen und blinzelnden Augen in die Büroräume hinaus.
    Finster und schweigsam lagen die weitläufigen Säle da, die tagsüber vom Klirren des Geldes, dem Klingeln des Goldes, dem Rascheln der Geldscheine und dem Kratzen der Federn auf Papier mit dem für Bankhäuser so charakteristischen Geräusch erfüllt waren. Michel marschierte auf gut Glück los und verirrte sich in diesem Labyrinth; er wußte über den Standort des Großen Hauptbuches nicht allzu genau Bescheid, doch ging er weiter; er mußte die Halle mit den Maschinen durchqueren, welche er in der Dunkelheit stehen sah.
    »Sie schlafen«, sagte er sich, »und rechnen nicht!«
    Er setzte seine Erkundungsreise fort, indem er durch das Büro der Riesenregistrierkassen tappte und bei jedem Schritt anstieß.
    Mit einem Schlag fühlte er den Halt unter seinen Füßen schwinden, ein entsetzlicher Krach war zu hören; Schlösser und Riegel schnappten ein; ohrenbetäubendes Pfeifen drang aus den Gesimsen; eine plötzliche Beleuchtung erhellte die Büroräume, während Michel immer weiter hinabfiel und in einem bodenlosen Abgrund zu versinken meinte.
    Bestürzt und zu Tode erschrocken wollte er, sobald er wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren glaubte, die Flucht ergreifen. Unmöglich! Er saß in einem Eisenkäfig gefangen.
    In diesem Moment stürzten sich halbangezogene Leute auf ihn.
    »Ein Dieb«, schrie der eine.
    »Er sitzt fest«, sagte der andere.
    »Holt die Polizei!«
    Bald erkannte Michel unter den Zeugen seines Mißgeschicks auch Monsieur Casmodage und den Cousin Athanase.
    »Sie«, schrie der eine.
    »Er!« schrie der andere.
    »Sie wollten meine Kasse aufbrechen!«
    »Das fehlte gerade noch!«
    »Sicher ein Schlafwandler«, sagte jemand.
    Zur Ehre des jungen Dufrénoy schloß sich die Mehrheit der anwesenden Männer im Hemd dieser Meinung an. Der Gefangene wurde entkäfigt, ein unschuldiges Opfer perfektionierter Registrierkassen, die sich ganz allein verteidigen.
    Mit seinen ausgestreckten Armen hatte Michel in der Finsternis die Wertpapierkasse gestreift, die genauso empfindsam und schamhaft war wie ein junges Mädchen; sofort hatte sich eine Sicherheitsvorrichtung eingeschaltet. Der Boden öffnete sich mittels beweglicher Dielen, während die Büroräume beim Krachen der laut zuschlagenden Türen elektrisch beleuchtet wurden. Die von schrillen Alarmglocken geweckten Angestellten stürzten zu dem Käfig, der bis ins Kellergeschoß hinuntergefahren war.
    »Das wird Ihnen eine Lehre sein«, sagte der Bankier zu dem jungen Mann, »hier herumzuspazieren, wo Sie nichts verloren haben.«
    Der beschämte Michel wußte nicht, was er antworten sollte.
    »Na, bitte! Was für ein wohldurchdachter Apparat«, rief Athanase.
    »Nichtsdestoweniger«, entgegnete ihm Monsieur

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