Paris im 20. Jahrhundert
Häuser, die an der Stelle der alten Oper erbaut worden waren; der junge Mann wurde in ein weitläufiges Parallelogramm geführt, das mit seltsam geformten Apparaten ausgestattet war, die ihm nicht sogleich auffielen. Sie glichen überdimensionalen Klavieren.
Als Michel seinen Blick in das angrenzende Büro schweifen ließ, erspähte er dort gewaltige Registrierkassen: Sie wirkten wie Trutzburgen; zinnenbestückt wie sie waren, fehlte nicht viel, und jede von ihnen hätte mühelos eine Garnison von zwanzig Mannen beherbergt.
Michel konnte nicht anders, als beim Anblick dieser geharnischten und gepanzerten Geldschränke zu erschaudern.
»Sie scheinen jeder Bombe standzuhalten«, sagte er sich.
Ein Mann um die fünfzig, seine morgendliche Gänsefeder hinter dem Ohr, spazierte würdevoll an diesen Monumenten entlang. Michel erkannte bald, daß er zur Familie der Zahlenleute gehörte, zum Stand der Kassenverwalter; dieses exakte, ordentliche, mürrische und jähzornige Wesen kassierte mit Begeisterung und zahlte nur unter Schmerzen; es schien Zahlungsausgänge als Diebstähle an seiner Kasse zu betrachten, und Eingänge als Wiedergutmachungen. Etwa sechzig Kommis, Gehilfen, Abschreiber kritzelten und rechneten unter seiner erhabenen Führung.
Michel war dazu bestellt, unter ihnen Platz zu nehmen; ein Bürodiener führte ihn zu der gewichtigen Persönlichkeit, die ihn erwartete.
»Mein Herr«, sagte der Kassenverwalter zu ihm, »bei Ihrem Eintritt hier haben Sie als erstes zu vergessen, daß Sie zur Familie Boutardin gehören. So lautet die Vorschrift.«
»Ich könnte mir nichts Besseres wünschen«, antwortete Michel.
»Zu Beginn Ihrer Lehre werden Sie der Maschine Nr. 4 zugeteilt.«
Michel drehte sich um und erblickte die Maschine Nr. 4. Es war eine Rechenmaschine.
Lange war es her, daß Pascal ein derartiges Gerät konstruiert hatte, dessen Erfindung damals so wunderbar erschien. Seit jener Zeit hatten der Architekt Perrault, der Graf von Stanhope, Thomas von Colmar, Mauret und Jayet treffliche Veränderungen an dieser Art Apparat vorgenommen.
Das Haus Casmodage besaß wahre Meisterwerke; seine Geräte glichen in der Tat riesigen Klavieren; drückte man auf die Tasten einer Klaviatur, erhielt man augenblicklich Endsummen, Restbeträge, Produkte, Quotienten, Verhältnisregeln, Berechnungen über Amortisierung und Zinseszinsen für unbegrenzte Zeiträume und zu allen nur erdenklichen Sätzen. Es gab hohe Töne, bei denen bis zu einhundertfünfzig Prozent herauskamen! Nichts war wundervoller als diese Maschinen, die mit Leichtigkeit eine Mondeux oder eine [?] 1 geschlagen hätten.
Allerdings war es notwendig, darauf spielen zu können, und Michel mußte Stunden nehmen, um den Fingersatz zu erlernen.
Wie man sieht, trat er in ein Bankhaus ein, das Hilfe gebrauchen konnte und das alle Möglichkeiten der Mechanik nutzte.
Im übrigen verlieh die Fülle der Geschäfte, die Vielfalt der Korrespondenz der schlichten Büroausstattung eine außergewöhnliche Bedeutung.
So bestand die Post des Hauses Casmodage aus nicht weniger als dreitausend Briefen pro Tag, die in alle Ecken der Welt verschickt wurden. Eine Lenoir-Maschine mit der Kraft von fünfzehn Pferden wurde nicht müde, diese Briefe abzuschreiben, die ihr fünfhundert Angestellte pausenlos zuschickten.
Und doch hätte die elektrische Telegraphie die Anzahl von Briefen beträchtlich senken müssen, denn neueste Entwicklungen erlaubten es dem Absender, mit dem Empfänger direkt in Verbindung zu treten; das Briefgeheimnis war auf diese Weise gewahrt, und die stattlichsten Geschäfte wurden auf Distanz abgewickelt. Jedes Haus besaß seine eigenen Drähte, nach dem in ganz England schon lange Zeit üblichen Wheatstone-System. Die Kurse der unzähligen Wertpapiere, die auf dem freien Markt notiert wurden, erschienen von ganz allein auf großen Scheiben, welche im Zentrum der Börsen von Paris, London, Frankfurt, Amsterdam, Turin, Berlin, Wien, Sankt Petersburg, Konstantinopel, New York, Valparaiso, Kalkutta, Sydney, Peking und Nuka-hiva standen.
Die photographische Telegraphie, die im vergangenen Jahrhundert von Professor Giovanni Caselli aus Florenz erfunden worden war, erlaubte es überdies, das Faksimile jedes beliebigen Schriftstücks, Handschrift oder Zeichnung, in weiteste Fernen zu schicken und Wechsel oder Verträge über fünftausend Meilen hinweg zu unterzeichnen.
Das telegraphische Netz überzog also die gesamte Erdoberfläche sowie den Meeresgrund;
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