Paris ist eine Messe wert
und mir halte, nötigt mich doch Euer Rang, des meinen eingedenk zu sein.«
Hierauf fragte sie nach meiner Familie, und es schien ihren Adelsstolz zu befriedigen, daß mein Vater von Heinrich II. zum Baron ernannt worden war, weil er unter ihrem ersten Gemahl 1 so tapfer vor Calais gedient hatte, und daß meine Mutter eine |458| geborene Caumont gewesen war, aus alter perigurdinischer Familie, deren Alter in ihren Augen den Makel auszugleichen schien, daß sie sich der Reform versagt hatte. Denn für die Kirche, fürs Papsttum und für die Liga hegte die Herzogin nach wie vor nur laue Gefühle. Von meiner Familie kam Madame de Nemours natürlich auf ihre zu sprechen und klagte wiederum über die Torheit ihrer Söhne, weder Mayenne noch Nemours wollten ihren Rat hören und mit dem König Frieden schließen, solange es Zeit war.
»Brissac«, sagte sie, »ein so großer Schelm er auch ist, hat recht gehabt. Der König hat sich bekehrt, das Volk will ihn, was gibt es da noch viel zu fackeln? Meine Tochter Montpensier ist eine Törin. Zuerst hat sie geschrien, sie wolle sich erdolchen, dann wollte sie Brissac erdolchen. Und ich fürchte, sie wird unter diesem Regime genauso böse Ränke schmieden wie unter dem vorigen.«
»Meint Ihr denn, Madame, daß Eure Frau Tochter nicht aufrichtig ist, wenn sie sagt, sie ergebe sich dem König und wolle ihn lieben?«
»Meine Tochter, Marquis, ist Ligistin, wie sie atmet. Ihr Herz widerlegt ihren Mund: Sie ergibt sich dem König nicht, und die Liga auch nicht.«
»Madame, die Liga ist besiegt!«
»Ha, Marquis! Schmeichelt Euch doch nicht mit dieser Hoffnung! Die Liga ist keineswegs besiegt. Die Liga besteht aus jener Sorte von unerbittlichen Fanatikern, die nie und nimmer aufgeben. Glaubt mir: Ihr werdet von ihr hören, weil sie wie die berühmte Hydra von Lerna ist: Schlagt ihr einen Kopf ab, und es wächst ein neuer.«
»Zwei, Madame.«
»Wieso zwei?«
»Schlagt ihr einen Kopf ab, und ihrer zwei wachsen nach. So lautet die Sage.«
»Marquis«, sagte Madame de Nemours, lachend wie ein Nönnchen, »Ihr wagt es, mir zu widersprechen?«
»Madame«, sagte ich, »ich bin untröstlich, aber es mußte sein! Wenn man indes bedenkt, wieviel Feuer die Hydra seit fünfzig Jahren mit nur einem ihrer Mäuler über dieses Reich gespien hat – was soll erst werden, wenn ihr jedesmal, wenn sie eins verliert, zwei neue sprießen?«
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Informationen zum Autor
ROBERT MERLE (1908–2004) hat mit der Romanfolge »Fortune de France« über das dramatische Jahrhundert der französischen Religionskriege sein wohl bedeutendstes Werk vorgelegt. Er erzählt darin die Geschichte dreier Generationen der Adelsfamilie Siorac, zunächst auf Burg Mespech in der Provinz Périgord, später am Hof in Paris. Die insgesamt dreizehn Romane der Folge, die den Zeitraum von 1550 bis in die vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts überspannen, liegen nun alle in deutscher Übersetzung vor:
Fortune de France
In unseren grünen Jahren
Die gute Stadt Paris
Noch immer schwelt die Glut
Paris ist eine Messe wert
Der Tag bricht an
Der wilde Tanz der Seidenröcke
Das Königskind
Die Rosen des Lebens
Lilie und Purpur
Ein Kardinal vor La Rochelle
Die Rache der Königin
Der König ist tot
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Informationen zum Buch
Ein großer König und sein charmanter Geheimagent: Henri Quatre und Pierre de Siorac vor den Toren von Paris
Frankreich im Jahr 1588. Die Bartholomäusnacht liegt sechzehn Jahre zurück, aber noch immer ist Bürgerkrieg zwischen Hugenotten und Katholiken. Zwar liegt der Herzog von Guise, das Haupt der Katholischen Liga, nun erdolcht im Schloss von Blois. Doch schon im Jahr darauf wird auch der toleranzbereite König Heinrich III. von einem fanatischen Dominikanermönch ermordet. Ein Menschenleben gilt nicht viel in diesen Zeiten. Sein Nachfolger auf dem Thron ist der ganz und gar unhöfische, aber militärisch erfahrene, nach Knoblauch stinkende und die Mädchen des Landes vögelnde Henri aus Navarra. Doch Henri ist Hugenotte und damit König ohne Krone - denn seine Hauptstadt Paris hält die Liga besetzt. In diesem dramatischen Kontext agiert der liebenswerte, charmante Pierre de Siorac, Arzt von Beruf, Geheimagent aus Begabung. Aber allein mit der Verführung hoher Damen ist es diesmal nicht getan. Er braucht auch all seinen politischen Verstand, seinen Witz und höchstes diplomatisches Geschick, um bei den gefährlichen Missionen, mit denen Henri ihn beauftragt, am Leben zu bleiben
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