Paris ist eine Messe wert
und tanzend anmutete und das plötzlich stillhielt.
»Wer da?« fragte eine gedämpfte Stimme.
»Es lebe der König und der Frieden!« antwortete ebenso gedämpft Langlois, was, glaube ich, die Parole der Weißschärpen in jener Nacht war.
Der helle Schein setzte sich wieder in Bewegung und wurde auf einmal zur Fackel, die plötzlich die große Nase von Monsieur de Vitry erhellte und offenbar auch mein Gesicht.
»Donnerschlag, der Marquis de Siorac!« rief Vitry leise. »Du hier? Bist du denn überall dabei?« Womit er mich flüchtig umarmte.
»Ich und der Herr Schöffe Langlois.«
»Herr Gardehauptmann«, sagte Langlois, »ich bin Euer Diener.«
»Laßt, Herr Schöffe, keine Zeremonie«, sagte Vitry.
Und als guter Kamerad, der auch den Stadtoberen gelten ließ, nahm er uns beide beim Arm und zog uns mit langen Schritten über die Zugbrücke. Als ich einen Blick zurückwarf, flammten da und dort Fackeln auf, und ich erriet mehr, als ich sie sah, eine lange Marschkolonne.
»Wie kommt es«, fragte ich Vitry leise, »daß man keine Schritte auf dem Pflaster hört?«
»Sie haben Lappen um die Füße gewickelt«, sagte Vitry, »und die Fackeln wurden eben erst entzündet.«
|446| So zogen sie denn durch die Porte Saint-Denis, und die Kolonne ergoß sich schon in die Stadt, als Soldaten des Herzogs von Feria, gut an ihren spanischen Helmen erkennbar, mit Waffen in der Hand und ziemlich erschrockenen Mienen aus ihren Wachhäuschen traten.
»Marquis«, fragte Vitry, »wer sind die da?«
»Neapolitaner von Feria.«
»Neapolitaner«, rief Vitry auf italienisch, »macht kehrt und haltet euch still! Gegen euch haben wir nichts.«
Die Neapolitaner ließen sich das gesagt sein und zogen sich ohne jeden Schußwechsel in ihre Posten zurück.
»Gevatter«, sagte Tronson, indem er mir seine Pranke auf den Arm legte, »die Laterne gehört nicht dem Viertel. Es ist meine.«
»Hier, nehmt sie.«
»Ich hörte eben«, sagte Tronson an meinem Ohr, »daß Monsieur de Vitry Euch Marquis nannte. Ist das Euer richtiger Name?«
»Es ist nicht mein Name. Es ist mein Titel. Ich bin der Marquis de Siorac.«
»Potztausend!« sagte Tronson, »hab ich’s doch geahnt! Ihr hattet den Fuß nicht gehoben, da sah ich die Sohle.«
»Und ahntet Ihr auch, daß Miroul der Junker Monsieur de La Surie ist?«
»Klar«, sagte Tronson.
»Es gibt keine größeren Angeber als diese Pariser«, sagte La Surie auf okzitanisch.
»Siorac«, sagte Vitry, während die Kolonne hinter uns durch die Grand’rue Saint-Denis zog, »übersetzt mir, was diese Staffette von mir will. Der Mann ist vom Rennen außer Atem und redet Okzitanisch.«
»Aber ich spreche auch Französisch«, sagte der Läufer, ein Rotschopf, »ich sprach nur Okzitanisch, weil ich so glücklich bin.«
»Verdammt, wer ist das nicht?« sagte Vitry.
»Diga me«
, sagte ich zu dem Läufer, der nun aber nicht wußte, sollte er zu mir Okzitanisch oder zu Vitry Französisch reden und gar nichts sagte.
»Ich wette, er hat gute Nachrichten«, sagte La Surie.
»Und ob!« sagte der Läufer, der seine Sprache wiederfand. |447| »Monsieur de Saint-Luc ist mit seiner Kolonne durchs Neue Tor eingezogen, das ihm sein Schwager, Monsieur de Brissac, geöffnet hat, und erwartet Euch vorm Grand Châtelet. Monsieur von O ist durch dasselbe Tor eingezogen und hat von einem Schöffen das Saint-Honoré-Tor übernommen.«
»Der Schöffe Neret«, sagte der kleine Langlois, damit die Verdienste der Stadtoberen bei dieser Aktion nicht übersehen würden. »Herr Marquis«, flüsterte er mir zu, »ich muß mich sehr entschuldigen, Euch nicht erkannt zu haben.«
»Herr Schöffe«, sagte ich, »von heute an sind wir Freunde, Ihr und ich. Wie könnte ich jemals den Augenblick vergessen, den ich gemeinsam mit Euch erlebt habe, als Vitry aus dem Nebel auftauchte und mit seiner Fackel auf uns zukam?«
Alles beschleunigte den Schritt, ohne irgendwo auf Hindernisse oder Widerstand zu treffen. Die Pariser begannen ihre Fenster zu öffnen und begrüßten Vitry mit Beifallsrufen, obwohl er seit der Übergabe der Stadt Meaux von den Pfaffen in den Schmutz gezogen wurde.
Nieselregen fiel, und langsam erhob sich ein grauer Tag. Am Grand Châtelet plauderten Saint-Luc und Graf Brissac fröhlich Arm in Arm, und der immer noch blonde Saint-Luc hieß Monsieur de Vitry willkommen.
»Ohne einen Schuß abzugeben?« fragte er.
»Nur mit der Stimme«, sagte Vitry, »und Ferias Neapolitaner verschwanden.«
»Mir wollten sich
Weitere Kostenlose Bücher