Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
meinen Magen. Ich stöhnte.
Ein Laut, für den ich mich schämte; andererseits war das hier auch kein Schulabschlussball…
In der Zeit nach jenem Abend versuchte ich, von Mondo loszukommen; aber er ließ mich verfolgen und zusammenschlagen. Einmal auf Jamons Lohnliste, immer auf Jamons Lohnliste. Das war ein Club, aus dem man nur tot austrat.
Warum hatte mir das niemand gesagt?
»Parrish!«
Ich war noch tief in Gedanken versunken und brauchte einen Augenblick, um wieder zu mir zu kommen. Ich überprüfte das Schloss meiner Wohnungstür und schaltete meinen Com-Schirm ein.
Es war Mei Sheong. Ihre dichten rosafarbenen Locken wanden sich wie ein Korkenzieher um ihren Kopf. Sie sah mit ihrer Haartracht völlig absurd aus; dabei kostete die Frisur sie jeden Monat ein volles Wochengehalt. Ich hatte ihr eine Haarimplantation vorgeschlagen, oder eine genetische Manipulation, aber sie hielt solche Eingriffe für schlechtes Karma. Was bildete ich mir auch ein, so etwas mit einer Chino-Shamanin zu diskutierten?
Sie schloss ein Auge und kaute auf einer Locke herum. »Mir ist da etwas zu Ohren gekommen.«
Plötzlich war ich hellwach. »Wie viel willst du haben?«
Mei spielte noch etwas länger mit ihrer Locke, bevor sie antwortete: »Ich werde es dir sagen; aber wenn du stirbst, bekomme ich dein Zimmer.«
Ich seufzte. »Der Tipp muss aber verdammt gut sein.«
»Das ist er auch, und irgendwie muss ich ja auch meine Zukunft planen. Sonst werde ich über kurz oder lang die Kontrolle verlieren.«
Kontrolle. Die Mutter aller Illusionen. Aber das hielt mich nicht davon ab, zu träumen und immer weiter zu kämpfen, in der Hoffnung, mein Leben würde eines Tages wieder mir gehören.
»Also gut, Mei; aber mach dir keine Illusionen: Ich habe nicht vor, so schnell ins Gras zu beißen. Also komm ja nicht auf die Idee, meinem Ableben ein wenig nachzuhelfen, sonst bist du bald näher bei Gott, als dir lieb ist.«
Mei riss ihr anderes Auge vor Überraschung weit auf. »Du bedrohst eine Chino-Shamanin?«
»Wonach hört sich das denn für dich an?«
»Klingt, als hättest zu ziemlich miese Laune.«
Ich trat einen Schritt näher an den Com-Schirm heran. »Was ist los, Mei? Sag mir, was Sache ist.«
Sie entfernte sich vom Bildschirm und schaute kurz über ihre Schulter. »Heins Bar. In zehn Minuten.«
In Heins Bar feierte der Neo-Punk seine Wiederauferstehung. Irgendjemand hatte den Laden wie einen altertümlichen Bunker eingerichtet: elektrisch geladene Fenstergitter, betonähnliche Mauern – das einzige Zugeständnis an Gemütlichkeit waren empfindsame Gefühlstühle. Ansonsten sah die Bar aus, als wäre hier eine Bombe eingeschlagen und die Löscharbeiten seien gerade erst vorüber.
Mei saß auf einem Gefühlstuhl an der Bar. In ihrem hautengen rosa Kleid und den roten Stöckelschuhen sah sie aus wie die perverse Schwester der Fee Tinkerbell. Ihr Stuhl stöhnte leicht vor Erregung, als sie auf ihm hin und her rutschte, während sie mit Mikey flirtete, der Aushilfe des Barkeepers.
Mikey war einer von Jamon Mondos Robokids – ein scheußliches Ergebnis illegaler Bio-Robotik-Experimente. Der Tert war ein Ort für solche Abscheulichkeiten. Mikeys Nähe zu meiner besten Quelle machte mich nervös.
Aber genau deshalb war Mei meine beste Informantin, beruhigte ich mich selber. Sie konnte sogar einem autistischen Schaf Geheimnisse entlocken.
Ich saß in einem khakifarbenen Gefühlstuhl mit dem Rücken zur südlichen Wand. Das war eine meiner Eigenheiten. Immer, wenn es eine Wand gab, die gen Süden zeigte, musste ich mit dem Rücken zu ihr sitzen. Es fühlte sich einfach richtig an.
Der Stuhl zitterte ein wenig und begann schmutzige Wörter in einer anderen Sprache zu flüstern. Ich sagte ihm, er solle die Klappe halten, sonst würde ich seinen Chip pulverisieren.
Mei turtelte noch einige Minuten mit Mikey, dann verließ sie die Bar. Das war Teil ihrer Masche: ganz offiziell verschwinden, dann durch eine andere Tür wieder hereinkommen. Es klang verrückt, aber es funktionierte. Immer wenn ich mich nach ihr erkundigte, sagten die meisten Leute, Sie ist gerade raus gegangen. Für ihren kleinen Trick war es aber wahrscheinlich auch ganz hilfreich, dass die Konzentration der Stammgäste von Heins Bar nur einen Drink lang reichte.
Wenn ich mich in der Bar umsah, war mir ein halbes Duzend der Leute zumindest bekannt, und die andere Hälfte gehörte hier mittlerweile zum Inventar. Zwei Dingomutanten lungerten hinter
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