Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
gewagten Lüge bahnte sich eine neue Halluzination an.
Nicht jetzt! Nicht…
Weiter konnte ich nicht mehr denken.
Anna warf sich mit unnatürlicher Schnelligkeit auf mich.
In meinem Unterbewusstsein hatte ich darauf gewartet. Ich hatte ihren Angriff von dem Moment an erwartet, da ich ihren Geruch erkannt hatte: ätzend, beißend.
Ich jagte ihr aus nächster Nähe eine Kugel in den Leib. Das Geschoss traf sie genau an der Stelle, an der die Adrenalindrüsen lagen.
Keuchend klappte sie vor meinen Füßen zusammen.
Ich sah sie versteinert an, ergriffen von dem Gedanken, dass ich möglicherweise einen schrecklichen, furchtbaren Fehler begangen hatte.
Um mich herum wurden Pistolen durchgeladen und Messer gezückt.
Doch als Annas Körper aufhörte, sich zu bewegen, veränderte sich ihre Erscheinung.
Statt Daacs zierlicher Wissenschaftlerin lag nun Io Lang tot zu meinen Füßen, genauso wie Jamon nur wenige Stunden zuvor.
Die bittere Wahrheit vertrieb die Spannung im Raum. Formwandler. Nichtmenschliche Wesen. Die Gerüchte… die Geschichten… sie waren alle wahr…
Ich wandte mich von Langs Leiche ab und erbrach den Inhalt meines Magens, bis ich das Gefühl hatte, meine Eingeweide würden zerreißen.
»Parrish.«
Ich sah erschöpft und mit tränenverschleierten Augen zu Loyl hinauf. In seinem Blick lag kein Mitleid, nur starrer Schock… und Zorn.
»Woher wusstest du das?«
Ich richtete mich auf. »Das Tagebuch von Razz. Sie ließ Anna überwachen. Es scheint, als hätte sie einen regelmäßigen Besucher gehabt, von dem du nichts gewusst hast – einen Priester. Ich vermutete, dass es sich dabei um Lang gehandelt hat. Er hat den Fehler begangen, mir in derselben Gestalt zu erscheinen.«
»Du wusstest, dass er formwandlerische Fähigkeiten besaß?« Daacs künstliche Hand formte sich zu seiner Kralle, als wolle er mich damit erwürgen, doch ich redete weiter.
»Deshalb musst du deine Forschungen beenden. Sie haben etwas Böses freigesetzt. Die Schamanen können es nicht bekämpfen, und auch die Cabal sind machtlos.«
Ich suchte in seinem Gesicht nach einem Hinweis darauf, dass er verstanden hatte, in welcher Gefahr wir uns befanden. Und falls er das tun sollte, wie würde er dieses Wissen verwenden?
Meine Entschlossenheit, ihn aufzuhalten, wuchs mit jeder Minute.
»Wo ist Anna?« Ein Hauch von Unbeholfenheit schlich sich in seine Stimme.
Ich wandte mich von ihm ab. Ich kannte die Antwort nicht, und ehrlich gesagt interessierte es mich auch nicht. Wie lange Lang bereits in Schaums Gestalt herumlief, war Daacs Problem.
»Du bist ein großes Risiko eingegangen, Parrish.«
»Ich habe einen Köder ausgeworfen. Ich wusste, dass er kommen würde. Ich wusste nur nicht, welche Gestalt er benutzen würde.«
Ich wollte Loyl nicht erzählen, dass ich Lang an seinem Geruch erkannt hatte – und mittels meines Instinkts: Ein Parasit konnte einen anderen in einem menschlichen Körper erkennen.
Ich hielt mich auch nicht damit auf, ihm zu erklären, wie sehr die Eskaalim uns in mancher Hinsicht ähnelten: dass sie gerne andere dominierten, dass sie kämpften und auch nicht davor zurückschreckten, ihresgleichen zu opfern, um ihr Ziel zu erreichen.
»Ich habe dich falsch eingeschätzt. Du bist gefährlich, und du hast Ambitionen«, sagte Daac leise; »aber du wirst mir geben, wonach ich verlange… Eines Tages wirst du mir geben, wonach ich verlange.«
»Dann hast du dich soeben ein weiteres Mal verschätzt«, versprach ich ihm.
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ mit seinen Männern die Bar.
Heins Bar hatte sich bis auf wenige Gäste geleert. Ich wies Larry an, die Muenos zu versorgen und es auf meine Rechnung zu setzten. Dann bedankte ich mich bei Pas; er verbeugte sich vor mir und murmelte einige verehrende Worte. Ich spielte das Spiel mit, weil die Muenos mir geholfen hatten. Ich klopfte ihm auf die Schulter und versprach ihm bei der Ehre der Oya, dass ich dafür Sorge tragen würde, dass er an Topaz Muenos Stelle rückte, wenn er sich weiter um die Straßenkinder kümmerte.
Pas verbeugte sich abermals und machte sich dann auf die Suche nach Verpflegung für die Kinder.
Einige von Heins Gästen kamen zu mir, um mir auf Tert-Art die Hand zu schütteln. Andere schlichen nur nahe an mir vorbei und sahen mich schüchtern an.
Ich ertrug das Ganze so lange es ging. Gerade in dem Moment, als ich zu dem Schluss gekommen war, dass ich genauso gut auf dem Boden von Larrys Kneipe schlafen
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