Partials 1 – Aufbruch
nach der Entdeckung einer Therapie sei es wichtig, möglichst
viele Kinder in die Welt zu setzen. Der Senat aber hatte beschlossen, das
Gesetz als Friedensangebot an die Stimme aufzuheben.
Ein weiterer Teil dieses Angebots waren die Rücktritte von Alma Delarosa und
Oliver Weist gewesen. Vor allem ihnen galten die Vorwürfe dafür, dass die Stadt
so rasch in das Kriegsrecht abgeglitten war. Skousen fehlte ebenfalls, war aber
nicht in Ungnade gefallen, sondern konzentrierte sich ausschließlich auf die
Herstellung des Impfstoffs. Der neue Senat setzte sich aus Vertretern von East
Meadow und der Stimme zusammen, sodass beide Seiten
ihre Ideen und Sichtweisen einbringen und der Insel den Frieden schenken
konnten. Kira betrachtete die Senatoren auf der Bühne. Es gab unterschiedlich
große Lücken, weil sie unterschiedlich nahe neben ihren jeweiligen Nachbarn
sitzen wollten. Manche wichen den Blicken der anderen aus, einer flüsterte
verschwörerisch einem anderen ins Ohr. Die Zuschauer spiegelten dieses
Verhalten in größerem Maßstab wider. Sie waren äußerlich vereint, doch zwischen
ihnen klafften immer noch tiefe Gräben.
»Wir haben noch nicht über das weitere Vorgehen entschieden«,
erklärte Hobb voller Ernst und Aufrichtigkeit. »Unsere Ärzte und Forscher
arbeiten unermüdlich, um die Geheimnisse der Therapie zu entschlüsseln, und
sobald ihnen dies gelungen ist, werden wir neuen Impfstoff herstellen. Dies ist
der Plan für die nächste Zukunft, aber falls sich etwas ändern sollte, werden
Sie es mit Sicherheit sofort erfahren und darüber abstimmen können. Unsere
Gesellschaft beruht auf Zusammenarbeit, anders ist es gar nicht möglich. Nur
eine Sache gibt es noch.«
Er hielt inne. Es war eine theatralische Geste, die – wie Kira
beobachtete – wunderbar wirkte. Die Menschen verstummten und beugten sich
gespannt vor. Hobb hob einen Zeigefinger, wackelte kurz damit und sprach
weiter. »Es gibt noch eine Sache, die wir bei den Experimenten mit dem Partial
entdeckt haben. Einen Umstand, der unser Leben und die ganze Welt völlig verändern
wird.« Er holte tief Luft. »Die Partials sterben sehr schnell aus, und
anscheinend kann niemand etwas dagegen unternehmen. In einem Jahr wird unser
größter Feind für immer verschwunden sein.«
Der Jubelsturm, der daraufhin ausbrach, erschütterte die Sporthalle
bis in die Grundfesten.
»Wir können es nicht künstlich herstellen«, erklärte Kira.
Marcus hatte sie nach der Veranstaltung in der Sporthalle nach Hause begleitet,
und jetzt saßen sie in ihrem Wohnzimmer. Kira kannte die Wahrheit, die wie
weißglühende Kohle in ihr brannte: Das Heilmittel, der Schläfer, konnte nicht
künstlich hergestellt werden, und ihre eigenen geheimen Tests hatten ergeben,
dass auch sie ihn nicht produzierte. Wenn sie wirklich eine Partial war, wie
Dr. Morgan und die anderen behauptet hatten, dann blieben ihre Aufgabe und
Herkunft ein Geheimnis, über das sie nur Vermutungen anstellen konnte.
Sie betete, es möge kein finsteres Geheimnis sein.
»Wir können es nicht künstlich herstellen oder nachbilden. Uns fehlt
einfach das Werkzeug dazu«, fuhr sie fort. »Ich bin nicht einmal sicher, ob ein
solches Werkzeug überhaupt existiert. Vielleicht hatte ParaGen eines – oder wer
das Virus ursprünglich hergestellt hat. Aber das ist alles verloren. Wir können
es nur von den Partials selbst bekommen.«
»Isolde glaubt, der Senat plane einen Angriff auf das Festland«,
sagte Marcus.
Kira nickte. »Ein Notfallplan.« Sie war die Expertin der Insel für
dieses Gebiet und nahm oft an Beratungen teil, arbeitete jedoch im Grunde eher
mit Skousen als mit dem Senat zusammen. Sie wusste, dass etwas im Gang war,
kannte aber keine Einzelheiten. »Hat Isolde auch etwas über den Zeitrahmen
verraten?«
»Womöglich in ein paar Monaten.« Marcus hob unsicher die Schultern.
»Es war schlimm, die Neugeborenen sterben zu sehen. Mittlerweile gibt es zwar
ein Heilmittel, aber trotzdem … seit wir Arwen gerettet haben, sind wieder drei
Kinder gestorben, und die Frauen, die Tovar geimpft hat, haben noch nicht entbunden.
Wir wissen nicht, was passieren wird, aber auf jeden Fall wird man nicht
untätig zusehen, wenn alles wieder so wird wie vorher. Da die Partials sterben,
ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand nach einem neuen Plan verlangt. Es
gibt Vorschläge für Friedensgespräche und den Austausch von Botschaftern, aber
da wir gesehen haben, wie die Dinge drüben liegen …« Er
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