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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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Partie. Sie machte zurzeit auf Sri Lanka eine Ayurveda-Kur.
    Selbstverständlich war der prächtige Konzertsaal bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Selbstverständlich war der Auftrittsapplaus für die beiden Künstler überdurchschnittlich intensiv. Das Konzert nahm einen normalen Verlauf.
    Bis im 3. Satz der Kreutzer-Sonate der Pianist ein Tempo anschlug, das den Geiger nicht nur unvorbereitet traf, sondern sogar bis zur Unspielbarkeit forderte. Sein entsetzter Blick traf auf ein völlig ahnungslos erscheinendes Pokerface des Pianisten. Fluchtweg gab es keinen. Es war der erste Programmpunkt nach der Pause. Von da an machte der Pianist immer wieder Ungewohntes, Irritierendes, aufdringlich Solistisches, ohne Rücksicht auf den Partner. Dem normalen Publikum blieben diese Exzesse unentdeckt, den Musikkennern musste aber dämmern, dass es Meinungsverschiedenheiten in der Interpretation gab. Dem Geiger rann der Schweiß in Strömen den Rücken herunter. Dennoch war der Schlussapplaus intensiv wie immer. Oder doch nicht so ganz?, vermutete der Pianist.
    Der Geiger verweigerte die Zugabe, was das Publikum ein wenig befremdete.
    In der dunkel getäfelten Garderobe fragte er, sein klatschnasses Hemd sich herunterreißend, seinen Pianisten, ob er geisteskrank geworden wäre. Das verneinte der. Er sagte, er hätte schon seit längerer Zeit das Gefühl, die Routine mache das Duo steril, es sei Zeit, das Zusammenspiel wieder zu verlebendigen.
    Das Gespräch erstarb.
    Zwei Tage später stand im Feuilleton einer Tageszeitung der allerersten Garnitur, »überraschenderweise« hätte der Geiger »neuerdings technische Probleme«, was umso merkbarer sei, da sich die Meisterschaft des Pianisten geradezu »tödlicher Vollendung« nähere.
    Kurze Zeit darauf traf bei der Agentin das Ersuchen des Geigers ein, für ihn keine Duo-Auftritte mehr abzuschließen. Als sich die Dame beim Pianisten erkundigte, ob da irgendein Wahnsinn ausgebrochen sei, meinte der, er verstünde seinen Partner und gebe ihm recht im Vorhaben, eine schöpferische Pause mit offenem Ende zu machen. Da die Agentin sich im Wissen um ihre Prozente damit nicht zufriedengeben wollte, fügte er hinzu, es solle schon Ehepaare gegeben haben, die nach der Scheidungsverhandlung nicht mehr so recht gewusst hätten, wie alles so gekommen war.
    Jahre danach noch wurden die beiden Künstler von Anhängern und Fachleuten gefragt, warum sie nicht mehr im Duo auftraten. Der Pianist sagte, der Geiger hätte sich stilistisch – ohne Niveauverlust, wohlgemerkt! – in eine andere Richtung entwickelt. Der Geiger sagte, der Pianist hätte dem Drängen seiner Frau, die Solokarriere zu forcieren, nachgegeben.
    Ihre gemeinsamen Tonträger nahmen beide nicht mehr in die Hand.

Das wohltemperierte Klavier
    DER KLAVIERSCHÜLER LITT von dem ersten Tag an, an dem ihn seine Eltern zwangen, dieses Instrument zu erlernen. Nicht dass er unmusikalisch war, nicht dass er Musik nicht gerne hörte, die Art und Weise, wie ihm eine alte, dürre »Frau Professor« in ihrer muffigen Wohnung erklärte, er müsse die Fingerübungen eines dicken Bandes, der sich »Klavierschule Sowieso« nannte, »besser üben«, war ihm unerträglich. Auch Vorschriften wie »Finger heben«, »Finger rund halten« hatten seiner Meinung nach mit Musik machen nichts zu tun. Da er aber ganz und gar nicht antiautoritär erzogen wurde, gab es kein Davonkommen. Der Vater, ein Speditionskaufmann, hatte den Flügel geerbt, die Mutter, ein verhinderter Mezzosopran, wünschte sich jemanden, der sie »begleitet«. Also ruhten Hoffnung und Verpflichtung auf dem Zehnjährigen. Er wurde Schüler des Konservatoriums und von diesem eben der in ihrer Wohnung unterrichtenden Dame zugeteilt. Daneben besuchte der Klavierschüler auch noch einen Kurs in Harmonielehre und Kontrapunkt, der ihn tödlich langweilte, und einen in Chorgesang. Der machte Spaß, denn er roch nach Mädchen.
    Das Klavierspiel, besser gesagt, das häusliche Üben und der wöchentliche Gang zu dieser Pädagogin, belästigten ihn.
    Nach zwei Jahren gab es das erste Vorspiel vor dem Lehrerkollegium. Es war ein Desaster. Der Klavierschüler spielte das für zwei Jahre Unterricht viel zu ärmliche Repertoire auch noch fehlerhaft. Er wäre mit Sicherheit vom Konservatorium verwiesen worden, hätte nicht die Leiterin des Chorgesanges gesagt, er wäre ein so aufgeweckter und so hochmusikalischer Bursche, vielleicht wäre ein Lehrerwechsel eine gute Maßnahme. Dieser Meinung

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