Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Frage unter:
»Sag, hast du eigentlich auf den Artikel reagiert?«
»Natürlich«, hörte er. »Ich mail dir den Text.«
»Wie du weißt, hab ich kein Mail.«
»Richtig. Du kriegst ihn mit der Post.«
Zwei Tage darauf war der Brief in Kopie da. Der Pianist las ihn. Er fand, er hätte entschiedener und schärfer sein können. Eine Formulierung wie »… und was die Partnerwahl anlangt, möchte ich doch ersuchen, Ihre subjektive Meinung nicht über mein seit vielen erfolgreichen Jahren gefestigtes Wissen um Qualität zu stellen …« war eigentlich das Papier nicht wert, dachte er. Aber, dachte er weiter, besser als nichts.
In der Woche darauf standen im Magazin zwei Leserbriefe, die der enthusiastischen Lobpreisung des Geigers beistimmten, auf die Problematik der Partnerwahl aber in keiner Weise eingingen. Den Brief vom Geiger gab es nicht.
Der Pianist erwog kurz, den Geiger anzurufen. Dann aber sagte er sich: Wozu?, der kann doch nichts dafür, dass sein Brief nicht abgedruckt wurde. Aber die Unsicherheit quälte. Er beschloss, etwas zu tun, was ihm seit jeher zutiefst widerstrebte, nämlich den direkten Kontakt zu einem Journalisten, in diesem Falle einer Journalistin zu suchen. Er rief im Magazin an, bat, verbunden zu werden, und wurde es. Die Autorin des Geigerporträts erklärte höflich, ohne Irritation, es sei kein Leserbrief mit diesem Absender eingegangen, mit der Mitteilung, der Anrufer hätte eine Kopie des Briefes gelesen, könne sie weiter nichts anfangen, da sie ihn ja – wie schon gesagt – nicht kenne. Sollte der Brief jetzt noch eintreffen, würde er nicht mehr erscheinen, da man in diesem Hause Leserbriefe grundsätzlich nur zwei Nummern nach Erscheinen des Anlasses veröffentliche.
Der Pianist bedankte sich für die Auskunft. Er verspürte einen leisen Anflug von Paranoia. Diese arrogante Kanaille musste gelogen haben. Oder doch nicht? Er war sich bewusst, in eine psychologisch nicht ungefährliche Lage geraten zu sein. Aber es gab wohl kein Zurück mehr.
Er entsann sich eines Jugendfreundes, der jetzt in der Wirtschaftsredaktion des Magazins im ersten Glied tätig war, rief den an, nicht ohne sich verlegen für die Lächerlichkeit des Ansinnens zu entschuldigen, und fragte den Mann nach der etwaigen Möglichkeit zu klären, ob in der Leserbriefredaktion besagter Brief eingegangen wäre. Der Wirtschaftsredakteur war zur Recherche bereit.
Nach kurzer Zeit kam die Auskunft. Der Eingang des Briefes sei nirgendwo vermerkt. Aber, sagte der Wirtschaftsredakteur schmunzelnd, sollte der Brief nicht an die Redaktion, sondern an die Dame persönlich adressiert gewesen sein, dann könnte sie ihn natürlich auch weggeschmissen haben. Schon war der Pianist erleichtert. Das und nur das konnte die Erklärung sein. Aber der Gesprächspartner hatte noch eine Wendung parat.
»Vielleicht hat dein Kollege den Brief so spät abgesandt, dass eine Veröffentlichung nicht mehr möglich war?«
Der Pianist wusste nicht mehr, was er glauben sollte. Beim fürsorglich an den Schreibtisch gebrachten Kaffee fragte er seine Frau, zu welcher These sie neige. Die neigte nicht, sondern war sich sicher: Der Geiger hat den Brief geschrieben, dem Partner die Kopie geschickt, das Original aber tagelang mit sich herumgetragen, weil seine Lebensgefährtin ihm geraten hätte, eine so wichtige Redaktion nicht wegen einer Lappalie gegen sich aufzubringen.
Jetzt war der Giftstachel nicht mehr eliminierbar.
Dem Pianisten wurde schmerzlich klar: Die Feststellung des großen Magazins, die wahren Kenner wüssten nicht, was einen großen Geiger veranlasst, mit einem keineswegs großen Pianisten im Duo zu spielen, würde unwidersprochen bleiben. Es half ihm nichts, sich zu sagen, es handle sich um eine Meinung im Gegensatz zu vielen, zu – so gut wie – allen.
An eine Wahrheitsfindung war nicht mehr zu denken, zumal der Geiger bei einer Terminrückfrage einmal, so nebenbei, einwarf, er könne sich keinen Grund vorstellen, warum »diese Schwachköpfe« seinen Leserbrief nicht abgedruckt hätten.
Sie gaben ihr nächstes Gastspiel. Wie immer teilten sie sich die größte und schönste Garderobe, zogen ihre Bühnenkleidung an, der Geiger einen exzentrischen schwarzen Anzug, der Pianist einen leichten Stresemann, wie immer ging der Pianist noch in das Raucherzimmer, um ein paar Züge einzusaugen, wie immer fingerte der Geiger noch einmal an seiner Stimmung herum. Diesmal war auch die Lebensgefährtin des Geigers nicht mit von der
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