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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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Heilpraktiker-Spielchen aus und sagt nicht einmal danke.
    Aber Florian und Betsy waren doch so entschlossen, eine gute Ehe zu führen! Solche Gefühle passen nicht in ihre Selbstbilder – daher der plötzliche Einbruch von Müdigkeit, wenn Wut und Neid anders nicht mehr verleugnet werden können.

    Ein Baby weckt schlummernde Ungeheuer, die in unberechenbarer Weise gegen die erotische Faszination zwischen Mann und Frau wirken. Das kleine Geschöpf hat, was Einfluss auf
das menschliche Unbewusste angeht, die Macht des Magnetberges. Wir kennen ihn aus dem Märchen: Wenn eine Barke zu dicht an ihn heransegelt, reißt seine Kraft die Nägel aus den Planken; das Schiff löst sich auf und geht unter.
    Ganz ähnlich zieht das Baby die unsichtbaren, symbiotischen Bindungen der Eltern an sich. Was diese sich bisher an unausgesprochenen Bedürfnissen nach Bewunderung und unverdienter Liebe schenkten, was ihre Beziehung zusammenhielt und gegen alle Stürme festigte – das Baby braucht alles für sich und mehr. Was Wunder, wenn überforderte Mütter einige Monate nach der Geburt ihren Männern zu sagen beginnen, sie bräuchten einen richtigen Vater als Partner und ganz bestimmt kein zweites Kind .
    Betsy und Florian stehen für die Mehrheit deutscher Paare. Für die Zeitschrift Eltern wurden in einer Forsa-Studie 1000 Personen mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren befragt. 72 Prozent der Mütter und 55 Prozent der Vater fühlten sich in der Regel zu müde, um an Sex mit ihrem Partner zu denken. Nur einem Viertel der Befragten gelang es, regelmäßig Zeit und Kraft für die Erotik in der Paarbeziehung abzuzweigen.
    Schon in der Schwangerschaft haben werdende Eltern deutlich weniger Sexualverkehr als kinderlose Paare. Hatten vor dem Hinzukommen des Dritten 80 Prozent der Paare mindestens einmal pro Woche intimen Kontakt, blieb nach der Geburt nur ein knappes Drittel bei diesem Rhythmus. 10
    Wenn es dem Paar gelingt, seine erotische Beziehung angesichts der Stresssituation von Schwangerschaft und Geburt zu festigen, ist eine Bindungsgrundlage erarbeitet, die den
Stürmen der Pubertät standhalten kann. In der Familie gibt es zwei deutlich unterschiedene Beziehungsfelder: das erotische zwischen Mutter und Vater, das fürsorglich-pädagogische zwischen Eltern und Kindern. Die Grenze zwischen diesen Feldern festigt die Autonomie aller Seiten.
    Liebesillusionen im Alltag
    Wenn die erotische Bindung der Partner durch das Kind beschädigt wird, spricht das dafür, dass einer oder beide in ihrer erotischen Autonomie gehemmt sind: Erotik ist in diesen Fällen wenig alltagstauglich und mehr oder weniger ausgeprägt auf Idealisierungen angewiesen. Die Partner sind unsicher in ihren Wünschen. Sie brauchen vom Gegenüber Bestätigung und sehnen sich nach totaler Harmonie.
    So kann die Erotik nicht die Bindung stärken und nach einem Streit zum versöhnlichen Ritual werden. Die Partner müssen erst mit anderen Werkzeugen ihre Beziehung flicken, ehe die gemeinsame Sexualität wieder funktionieren darf. Der Partner dient auch als Elternersatz. Sexuelle Wünsche dürfen nur dann geäußert werden, wenn der Partner Sicherheit spendet und das Selbstgefühl festigt.
    Ein Signal dafür ist es, wenn sexuelle Wünsche als unpassend gelten, sobald der Partner gerade keine Lust hat. Die in der Beziehung produzierte erotische Faszination wird entwertet, sobald sie die Harmonie gefährdet. Wer gehemmt mit seinen sexuellen Wünschen umgeht, dominiert das Werterleben. Am Ende kann ein Paar nicht fassen, wie es geschah, dass
von der einstigen Leidenschaft so wenig übrig geblieben ist. Wenn Deutschland eine der geringsten Fortpflanzungsraten in Europa hat (1,34 Geburten pro Frau – verglichen mit 1,98 in Frankreich), scheint mir der symbiotische Sog ein wichtiger Faktor. Angesichts der Traumatisierungen und der Wertkrisen durch den Untergang des Nationalsozialismus (der eine Geburtenrate von vier Kindern pro Frau propagierte) festigt das Streben nach einer gemeinsamen Angstabwehr die Angst der Paare vor dem störenden Dritten.
    In vielen anderen Fällen wird die Bindung an das erste Kind so eng, dass kein zweites mehr denkbar ist. Immer noch spukt die Phantasie in den Elternköpfen, dass ein Baby Schaden leidet, wenn es von anderen Personen betreut wird als von der leiblichen Mutter. Die schlechte Versorgung deutscher Eltern mit Kinderkrippen ist ebenso eine Folge solcher Mythen, wie sie diese zementiert.
    In einer bäuerlich bestimmten

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