Partnerschaft und Babykrise
wäre das für ein Kind eine immense Zumutung. Sie kenne sich da vielleicht besser aus als ich, denn ihre eigene Mutter sei auch alles andere als reif genug für eine Schwangerschaft gewesen; daher habe sie auch für ihr eigenes Leben
die Überzeugung gewonnen, lieber keine Kinder zu haben. So offen wird in der Regel nur in einem vertrauten Rahmen gesprochen, wie ihn eine solche Intervisionsgruppe darstellt. Die Reaktion meiner Kollegin zeigt deutlich, wie eigene Erfahrungen mit dem Vorhandensein oder dem Mangel einer Mutter, die gut genug ist, Urteile auch bei den beruflich zur Reflexion verpflichteten Personen einfärben.
Wer die eigene Geschichte kennt, kann auch auf die in ihr liegenden Fehlerquellen achten. Angesichts der Auswirkungen einer unerwünschten Schwangerschaft ist Zuversicht nicht wertvoller als Respekt vor den Entscheidungen der Schwangeren.
Angst ist kein guter Ratgeber. Sie warnt übereifrig vor Veränderung schlechthin. Gefährlich ist es aber auch, ihre warnende Stimme zum Verstummen zu zwingen .
Wird die Angst bewusst verarbeitet, zeigt sich oft, dass Menschen gut bewältigen, was sie sich vorher niemals zugetraut hätten. Eine Symbiose hindert die Partner, sich zu entwickeln, autonomer zu werden, selbstbewusster. Es ist nicht schade um sie – solange ihr Verlust verkraftet werden kann und ein Paar den Zuwachs an Selbstbewusstsein verwerten kann, der im Untergang der Symbiose liegt.
Frauen berichten oft, wie viel sie durch die Erfahrung mit ihren Kindern gewonnen haben.
Früher habe ich immer geglaubt, ein Mann weiß einfach besser, wo’s langgeht, die Kerle sind ja auch immer viel schneller bei der Hand, wenn es darum geht, ein Urteil zu fällen und sich irgendwo vorzudrängen. Seit ich die Kinder habe, sehe ich in
meinen Kollegen oft auch die kleinen Jungen, die im Keller singen. Ich sehe, dass sie mehr Angst entwickeln als ich. Sie haben nie erlebt, wie es ist, wenig kontrollieren zu können, keinen Erfolg zu haben, keine Bestätigung zu kriegen.
Ich hab das durchgemacht. Ich saß zu Hause, hatte nur mein Baby und hab das hinter mich gebracht. Den neuen Job als Führungskraft habe ich gekriegt, weil der Personalvorstand sagte, ich sei selbstbewusst, ohne andere runtermachen zu müssen.
Solche Äußerungen spiegeln eine Situation, in der Frauen von ihrem Kind seelisch profitieren und gelassener werden, fähig, die symbiotischen Idealisierungen abzubauen. Männer werden realistischer gesehen, aber nach wie vor liebevoll angenommen.
SCHLUSS: DIE (FAMILIEN-)POLITISCHE DIMENSION
Man könnt’ erzogene Kinder gebären,
wenn die Eltern erzogen wären.
Johann Wolfgang von Goethe 27
Wenn wir akzeptieren, dass die meisten Ehen aus emotionalen Gründen geschieden werden, gewinnt die Betrachtung der Triangulierung eine immense familienpolitische Bedeutung.
Wo die Integration des Dritten misslang, sind die Kinder traumatisiert. Sie werden mit einer erheblich höheren Wahrscheinlichkeit in den eigenen Liebesbeziehungen erneut dem Symbiosekomplex zum Opfer zu fallen. Es ist somit einfach und schwierig zugleich, bessere Lebensbedingungen für Kinder zu schaffen und die Angst erwachsener Männer und Frauen vor dieser Aufgabe zu mildern.
Aus gut versorgten, in den stabilen Verhältnissen einer gelungenen Triangulierung aufgewachsenen Kindern werden Mütter und Väter, die sich zuversichtlich diesem Teil ihrer Selbstverwirklichung zuwenden können. Und umgekehrt werden aus verletzten, durch ein Versagen der Eltern belasteten Familien Erwachsene hervorgehen, deren geschwächte Beziehungsfähigkeit und Kränkungstoleranz ihre eigene Partner- und Elternschaft erneut belastet.
Seit deutlich wird, wie viele Menschen in der Moderne unfähig geworden sind, sich selbst und andere anders als in einem grellen Schwarz-Weiß zu sehen, ahnen wir erst, wie schwierig es sein wird, an dieser Entwicklung etwas zu ändern.
Menschen, die sich von der modernen Gesellschaft benachteiligt und entwertet fühlen, reagieren in ihrer Aggression ähnlich zerstörerisch wie Partner in einem Scheidungskrieg. Es gibt Kränkungen, die wir ertragen können, und andere, die unsere Psyche überfordern. Dann setzen Verarbeitungsmöglichkeiten ein, die mit dem »Leben aus der Substanz« verglichen werden können, das eine Notsituation auf prekäre Weise stabilisiert.
Wenn wir hungern, baut der Organismus erst Fettreserven ab. Das schadet ihm kaum, kann sogar den Körper entlasten. Wenn diese Reserven aufgebraucht sind,
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