Pasdan
wilde Nacht hinaus.
In einem weiten Bogen flog er an Pasdan vorbei. Er landete auf einer riesigen Müllhalde nördlich der Sklavenpferche und des Galgenbergs. Dort ließ er das Gerät zurück. Und während er den mächtigen Einfluß der Heilerinnen und Heiler spürte, die gespenstischen Erscheinungen sah und sich auf den Weg machte, fragte er sich immer wieder, ob es verrücktere Formen des kalkulierten Selbstmords geben mochte.
Im Morgengrauen wurde Pasdan von mehreren Kugelblitzen heimgesucht, die keinen Schaden anrichteten. Gleißend hell bildeten sich dann im Zenit über der Stadt drei Ringe mit Doppelkreuz, über dem Hafen drei weitere. Und noch einmal drei über dem Meer. Sie verblaßten, als wenige hundert Meter vor der Küste, dort, wo unter Flammen und Nebel die Gleiter und Beiboote lagen, eine blendende Kunstsonne aufging.
Sie hatten das Ruder festgebunden, die Segel halb gerefft und das Schiff verlassen. Getrieben von einer Schraube, die wiederum getrieben wurde von einer Serie rotierender Steinscheiben, die getrieben wurden von einer Sirene, durchbrach der hölzerne Segler die Flammen und fing Feuer. Das brennende Wrack trieb - Saravyi und die anderen sahen es nicht mehr, denn für sie war es jenseits des Flammenvorhangs - zum Hafen von Pasdan.
Die grelle Sonne, die im Süden erstanden war, schien auf eine silbern glänzende Wasserstraße. Aus den flammenden Nebeln kam die Reiterin hervor. Über der Stadt erschien erneut das Zeichen des Rings mit dem Doppelkreuz, dann ein weiteres über der Reiterin. Sie saß auf einer makellos weißen Schimmelstute und trug ein leuchtend weißes Gewand mit abstrakten Goldmustern. Hinter ihr gingen in Zweierreihen Wehrhafte Jungfrauen mit blitzenden Schwertern. Über ihnen erschienen plötzlich Millionenschwärme kreischender Vögel, und aus den Flammenwänden weiter im Osten segelten riesige Schiffe, auf denen Gras und Bäume wuchsen, Hügelkuppen ragten und Bäche rieselten. Das brennende Geisterschiff trieb gegen die glitzernde Bahn, auf der die Reiterin und die Wehrhaften Jungfrauen sich dem Ufer näherten. Es rammte die Straße auf dem Wasser, zitterte und zerbrach. Die Reiterin auf der Schimmelstute hielt an und hob die Hand. Zischend versanken die brennenden Trümmer des Wracks, und nahe am Ufer trieben klickend und kreiselnd große Mengen grüner Steine.
Erneut hob die Reiterin die Hand. Die kreischenden Vögel verschwanden. Dann loderte eine Flammenwand auf der Straße über dem Meer.
Die Reiterin ritt hindurch, ohne zu brennen; die Wehrhaften Jungfrauen schritten über das Wasser, ohne zu sinken.
Die Schimmelstute, vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, tänzelte über das Wasser. Noch wenige Meter bis zum Ufer - erreicht. Hsiang wandte sich nicht um; die beiden Kompanien mußten hinter ihr sein. Sie durfte sich nicht umwenden.
Mit Absicht hatten sie den Antigravprojektor nicht auf den Hafen, sondern auf das östlich davon gelegene Ufer gerichtet. Die Prophezeiung wollte, daß die Hüterin vor die Stadt reite und keinen Einlaß finde; der Hafen gehörte bereits zum Stadtbereich. So näherte sie sich dem Osttor von Pasdan. Auf den Mauern standen dichtgedrängt die Bewohnerinnen der Stadt, und Lydia Hsiang seufzte. Aber dann atmete sie auf; offenbar entsann man sich in Pasdan der Prophezeiungen und begann, überhastet die Mauern zu leeren.
Saravyi und Sarela McVitie warteten. Endlich gab das Funkgerät den vereinbarten Codespruch von sich.
»Die Küste ist bestimmt leer; alles ist in Pasdan und schaut zu«, sagte Saravyi.
Das Funksignal zeigte an, daß die übrigen Schiffe die Küste nordöstlich von Pasdan erreicht hatten und mit dem Ausschleusen der Besatzungen begannen. Nur die drei »Geisterschiffe« mit den Heilern blieben hinter dem Flammenvorhang zurück.
Lydia Hsiang zügelte die Schimmelstute und richtete sich in den Steigbügeln auf. Sie hatte den ausersehenen Platz kurz vor dem Osttor erreicht und betete, daß nicht ausgerechnet nun ein Gerät, eine Kamera oder ein Beobachter ausfallen möge. Dann hob sie die linke Hand.
»Aber mit Vergnügen, Madame«, sagte Gerames. »Der Zünder. Sehr wohl, sofort.«
Die zahlreichen Kapseln, die Bondak und Vanzuid an die entsprechenden Stellen gelenkt hatten, detonierten. Im Norden, Osten und Westen von Pasdan schien die Erde die Brust zu wölben und Luft zu holen; langsam bewegten sich die Massen der Wälle, Mauern und Tore, dann stürzte alles in einem gewaltigen Krachen zusammen.
Lydia
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